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Berlin: Wer gegen Schwache mit noch so gedruckten Vorschriften vorgeht, begeht eine Gemeinheit (Kommentar)

In Dresden werden demnächst Persönlichkeiten - allen voran Kurt Biedenkopf - sich für die so genannte Sockensammlung der Heilsarmee stark machen. Sie kommt Obdachlosen zugute.

In Dresden werden demnächst Persönlichkeiten - allen voran Kurt Biedenkopf - sich für die so genannte Sockensammlung der Heilsarmee stark machen. Sie kommt Obdachlosen zugute. Die Streiter für Arme werden mit Drehorgeln und Sammelbüchsen in der Stadt zu sehen sein.

In Berlin hingegen verbieten die Direktionen von BVG-und S-Bahn den gewohnten Verkauf von Obdachlosenzeitungen durch Obdachlose in den Bahnen. Die Direktoren (Frauen dürfte es dort nicht geben, sonst gäbe es nicht solche Verbote) berufen sich auf "Beförderungsbestimmungen", auf "Gemeinnützigkeit" (!) u.s.w. Das ist fadenscheinig. In Wahrheit kuschen die Herren vor situierten Seelchen, die sich von den Blattverkäufern "bedrängt" fühlen. Also üben sie Verrat an den Schwachen. Sie setzen Ordnungsmänner gegen die Obdachlosen ein. Und das in Berlin! Hier nun aber schritt ein Berliner ein. Die Ordnungsmacht hatte ein Pärchen aus der Menge der Fahrgäste herausgepickt, nur von diesem die Fahrscheine verlangt. Und ehe die Ordnungsmacht den kleinen Stapel Zeitungen konfiszieren konnte, kam der Einmischer ihnen zuvor: Er kaufte alle Blätter. "Wollen Sie mir die etwa wegnehmen? Die werde ich jetzt selbst verkaufen, und zwar im nächsten Zug!" Die Sache wurde interessant. Die Ordnungsmänner drohten mit dem Grenzschutz. "Her mit dem!" rief der Mann. Die Ordnungsmacht sprach von den "Vorschriften". Unwürdige Vorschriften seien - bekamen sie zu hören - dazu da, nie befolgt zu werden. Kurz: Die Sache ging infolge solcher Einmischung zugunsten der Obdachlosen aus. Die Blätter waren dem Zugriff der Macht entzogen, alle weiteren Gemeinheiten abgewendet. Denn wer gegen Schwache mit noch so gedruckten Vorschriften vorgeht, begeht eine Gemeinheit.

Ekkehard Schwerk

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