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Berlin: Wer mobbt hier wen? Chronik eines Steuerstreits

Der Finanzsenator und drei Abgeordnete stehen sich unversöhnlich gegenüber Die Strafanzeige des Petitionsausschusses ist am Montag fertig

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das wäre schon ein Skandal: Finanzbeamte werden gemobbt und beschweren sich beim Parlament. Die Abgeordneten greifen ein und werden deshalb vom Finanzamt mit Steuerprüfungen schikaniert. Dann veröffentlicht ein gehässiger Finanzsenator auch noch die geheimen Steuerdaten der Volksvertreter. So weit der Vorwurf. Aber was ist dran?

Tatsache ist, dass sich 2004/05 vier Mitarbeiter des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen und zwei Beamte des Finanzamts Treptow/Köpenick an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses wandten. Die Vorgänge gehen bis 1999 zurück. Es ging um falsche Beurteilungen, ausbleibende Beförderungen und über Abordnungen oder Versetzungen. Die Fälle in Treptow-Köpenick wurden nicht beanstandet. Beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen wurde nach Anhörung des früheren Oberfinanzdirektionspräsidenten und des Amtsvorstehers resümiert: Dort müsse „einiges im Argen liegen“. Auch die Führungsstruktur gehöre überprüft.

Am 17. Januar 2006 setzte sich dann Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) auf Einladung des Petitionsausschusses mit drei Beschwerdeführern zusammen. Ein Jahr später, im Mai 2006, zog der Petitionsausschuss eine kleine Erfolgsbilanz. Ein Beamter war auf sein altes Tätigkeitsfeld zurückgekehrt, ein Mitarbeiter wurde optimaler eingesetzt, eine Beschäftigte war befördert worden. Nur ein Streitfall blieb offen. Der Ausschuss sprach zwar von „Mobbingvorwürfen“ der Finanzbeamten, ließ aber in seinen Jahresberichten offen, ob es sich tatsächlich um Mobbing handelte. Die internen Kontrollinstanzen der Finanzverwaltung sahen den Tatbestand des Mobbing (systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren, gezielter und dauerhafter Psychoterror) nicht erfüllt.

Vor allem der Reinickendorfer CDU-Politiker Ulrich Brinsa hatte seit November 2004 versucht, mit acht parlamentarischen Anfragen das „Mobbing in den Finanzämtern“ aufzudecken. Mit dem Ergebnis: Bis Oktober 2006 ging die Steuerbehörde 15 Mobbingvorwürfen nach, von denen sich keiner bestätigen ließ. Allerdings wechselte der Chef des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen im Juni 2006 ins Finanzamt für Körperschaften I und übernahm dort die Leitung. Ralf Hillenberg (SPD), Vorsitzender des Petitionsausschusses, nannte dies einen „Erfolg des Ausschusses“. Es sei eine routinemäßige Versetzung gewesen, widersprach die Finanzverwaltung. Die Vorstände der 22 Berliner Finanzämter rotieren regelmäßig.

Wahrscheinlich würden die Mobbingvorwürfe inzwischen bei den Akten liegen, hätten nicht drei Mitglieder des Petitionsausschusses öffentlich nachgelegt. Der Vorsitzende Hillenberg, der FDP-Abgeordnete Rainer-Michael Lehmann und der Ex-Abgeordnete Brinsa behaupten seit einigen Wochen, von gezielten Steuerprüfungen betroffen zu sein, die in Zusammenhang mit ihrer Ausschusstätigkeit stünden. Sarrazin wies dies am 17. August als „absurd und haltlos“ zurück. „Ich nehme die Mitarbeiter der Finanzverwaltung ausdrücklich vor einer solchen Verleumdung in Schutz.“ Falls die Betroffenen einwilligten, könnten Informationen zu den jeweiligen Steuerfällen gegeben werden. Die Finanzverwaltung habe nichts zu verbergen.

Eine Woche später bat der Finanzsenator die drei Abgeordneten schriftlich, ihre Steuerdaten freizugeben. Am 20. September erhielten sie einen zweiten Brief. Der FDP-Mann mit Verspätung, weil er umgezogen war. Noch bis Montag, 1. Oktober, wartete Sarrazin ab. Dann lüftete er auf sieben Seiten das Steuergeheimnis der drei Abgeordneten ohne deren Einwilligung, um den Vorwurf schikanöser Sonderprüfungen aus der Welt zu schaffen. Zeitgleich informierte der Senator den Abgeordnetenhauspräsidenten Walter Momper schriftlich über den Vorgang. Allerdings war Momper zu dieser Zeit auf Dienstreise in Taschkent.

Die Daten wurden von der Innenrevision der Finanzverwaltung zusammengestellt. Wenn sie richtig sind, lässt sich der Verdacht nicht belegen, dass steuerliche Prüfvorgänge mit der Bearbeitung der Mobbingvorwürfe zeitlich oder sachlich im Zusammenhang stehen. Das Bundesfinanzministerium hat dem Vernehmen nach sogar eine Darstellung genehmigt, die umfangreicher als die Pressemitteilung ist. Das Instrument, das Sarrazin nutzte, ist die Abgabenordnung des Bundes. Sie lässt die Offenbarung des Steuergeheimnisses zu, wenn dadurch „in der Öffentlichkeit verbreitete unwahre Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung zu erschüttern“, richtiggestellt werden. „Solche öffentlichen Vorwürfe lassen sich nun mal nicht im Hinterzimmer klären“, so eine Sprecherin Sarrazins. Am Dienstag wird sich der Ältestenrat mit der Angelegenheit befassen. Eine Strafanzeige des Petitionsausschusses werde am Montag der Staatsanwaltschaft zugestellt, sagte der Vize-Vorsitzende Gregor Hoffmann (CDU).

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