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Stadt-Land. Die Prinzessinengärten. in einer Baulücke in Kreuzberg, dürfen bleiben. Hier werden Brennnesseln gepflanzt, um daraus Gülle zu machen.

© Kai-Uwe Heinrich

Wer soll Berlins Grundstücke bekommen?: Für Kleingärtner und Künstler soll Platz bleiben

Seit zwei Jahren ist der neue Senat im Amt. Die versprochene neue Liegenschaftspolitik gibt es immer noch nicht. Eine Diskussion in der Urania am Montag hat gezeigt, warum eine Einigung in der Sache schwer fällt.

Die Kleingärtner sind schuld. In Berlin gewinnt keine Partei eine Wahl gegen sie, so heißt es. Und um ein Podium zu spalten, braucht nur ihr Namen zu fallen: Am Montag Abend zum Beispiel, in der bis dahin ruhig geführten Diskussion darüber, wie der Senat mit den landeseigenen Grundstücken umgehen soll. Ulrich Pfeiffer von Empirica war es, der die Kontroverse auslöste, mit einer Tirade gegen diese „Minderheit von Leuten, die ihr kleines Milieu am Adenauer Platz geschaffen hatten“ und das schöne innerstädtische Bauland „verpfründet“ hatten – da platze einem ja der Kragen. Folge man Pfeiffers Logik, könne man gleich „den Tiergarten bebauen“, konterte Leonie Baumann, Rektorin der Kunsthochschule Weißensee. Denn die Kleingärtner heute bestellen ihre Scholle in den Prinzessinengärten oder auf dem Tempelhofer Feld, wo türkische Migranten die Güte der Saat mit Designern aus der Oranienstraße diskutieren: „Multikulturelles Projekte“ sind das, so Baumann, die Widerstand gegen die „Homogenisierung“ der Innenstadt leistet.

Das Rotaprint-Gelände ist ein Beispiel, was die neue Liegenschaftspolitik der Stadt bringt

Der leitende Tagesspiegel-Redakteur Gerd Nowakowski schlichtete den eigentlich unnötigen Streit. Denn Pfeiffer hatte nur diesen einen abgeschotteten Kleingarten am Ku’damm im Visier – und keine Generalattacke auf Erholungsgrundstücke im Sinn. Die Fehde macht jedoch das Spannungsfeld der Liegenschaftspolitik deutlich, das von einer Betrachtung von Grundbesitz ausschließlich als dessen Wert am Immobilienmarkt reicht bis zu dessen Bedeutung als Keimzelle von Kulturprojekten die ein Quartier aufwerten. Das Rotaprint-Gelände im Wedding ist ein Beispiel dafür: Weil es nicht an einen Discounter oder an einen Baumarkt ging, sondern an eine Künstlerinitiative, gibt es dort nun eine Schule für Schulschwänzer, Handwerksbetriebe, Deutschkurse für Ausländer und natürlich Künstlerateliers. „Stadtrendite“ nennt man so etwas im Fiskaljargon, und das besagt ungefähr: Der Steuerzahler profitiert, weil das Land sonst ähnliche Leistungen von professionellen Sozialträgern einkaufen müsste, wenn man Stadtteile und integrationsbedürftige Menschen nicht einfach sich selbst überlassen will.

Kein Platz mehr nirgends. In der Innenstadt werden Brachen und Baulücken knapp - deshalb wird hart um die letzten Freiflächen gerungen.
Kein Platz mehr nirgends. In der Innenstadt werden Brachen und Baulücken knapp - deshalb wird hart um die letzten Freiflächen gerungen.

© dpa

Auch jemand wie der Chef der Berliner Immobilien-Management (BIM) Sven Lemiss weiß, dass der Verkauf landeseigener Grundstücke an den Meistbietenden nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist. Andererseits müsse man „den Konflikt aushalten“: Dass auch durch kulturelle oder soziale Nutzungen so viel Geld mobilisiert werden muss, dass davon eine neue Adresse für die öffentlichen Einrichtungen finanziert werden kann, damit diese die zuvor schlecht genutzte Altimmobilie verlässt – „sonst bleiben die eben drin“, so Lemiss. Dieser Konflikt wird zurzeit bei einer als Fuhrpark genutzten Garagenanlage an der Belziger Straße in Schöneberg ausgetragen, wo Künstler gerne einziehen würden.

Der Finanzsenator sei jetzt gefragt, findet CDU-Vize-Fraktionschef Stefan Evers

Der Ausverkauf landeseigener Flächen jeder Art und in jeder Lage zum höchstmöglichen Preis ist aber vorbei, sagte der stellvertretender Chef der CDU-Fraktion Stefan Evers. Die Änderung von Landeshaushaltsordnung und Betriebegesetz durch das Abgeordnetenhaus habe vor wenigen Wochen unwiderruflich die Weichen zu der angekündigten neuen Liegenschaftspolitik gestellt. „Auch der Finanzsenator wird nicht umhin kommen“, so Evers, „dies zur Kenntnis zu nehmen“ und endlich eine tragfähige Gesetzesvorlage vorzulegen. Dadurch sollen soziale und künstlerische Projekte eine Chance auf innerstädtische Grundstücke bekommen und auch Flächen für Schulen, Kitas oder Grünflächen für die Zukunft erhalten bleiben.

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