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Berlin: Wer stand inmitten antisemitischer Schreihälse?

FDP und SPD erheben nach der Rückbenennung der Jüdenstraße schwere Vorwürfe gegeneinander, der sozialdemokratische Kreisvorsitzende erwägt rechtliche Schritte

Hoch her ging es in der gestrigen Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung in Spandau. Da forderten CDU-Verordnete den Rücktritt des Spandauer SPD-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Swen Schulz: Diese hatte überlegt, rechtliche Schritte gegen die Spandauer FDP zu ergreifen. Der FDP-Bezirksvorsitzende Wolfgang Mleczkowski hatte erklärt, der Bundestagsabgeordnete habe am Freitag bei der von den Liberalen inszenierten Feier zur Rückbenennung der Jüdenstraße inmitten „antisemitischer Schreihälse" gestanden. Es gebe der Sache eine „höchst peinliche Note", wenn Schulz von den neonazistischen Ausfällen nichts mitbekommen haben wolle, weil er angeblich zu spät gekommen sei, erklärte Mleczkowski. Tatsächlich war Schulz während der Veranstaltung nach eigenen Angaben beim Friseur und kam erst gut eine Stunde später nach der Verabredung mit einem Abendschau-Reporter in die Jüdenstraße. Mleczkowski beruft sich darauf, dass der SPD-Chef im Fernsehen zu sehen war und außerdem „von Leuten, die ich kenne", gesehen wurde. Mleczkowski hatte selbst nicht an der Veranstaltung teilgenommen, weil er „dienstlich nicht in Berlin war".

Er warf dem SPD-Politiker vor, „in unverantwortlicher Weise mit polarisierenden Äußerungen“ gegen die Rückbenennung der von den Nazis 1938 umbenannten Jüdenstraße" im Bundestagswahlkampf einen neuen Streit vom Zaun gebrochen zu haben. „Völlig unerträglich" sei die Behauptung des Sozialdemokraten, Spandaus FDP-Fraktionschef Karl-Heinz Bannasch habe mit der Einladung des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zum Festakt der Straßenumbenennung die „Sache erst recht aufgebauscht“. Schulz bezeichnete die Attacken der Liberalen als „falsch, beleidigend und bösartig". Er lasse sich nicht anhängen, mit antisemitischen Tendenzen Stimmung zu machen. Bannasch und Mleczkowski würden die Debatte um die Ereignisse bei der Rückbenennung der Kinkel- in Jüdenstraße für eigene Zwecke missbrauchen. Schulz sprach von einem „politischen Amoklauf", der dem gesamten Andenken an die jüdische Geschichte schade. FDP und CDU seien es gewesen, die nach der letzten Bezirkswahl die Rückbenennung betrieben, obwohl Politik und Anwohner zuvor eine andere Regelung vereinbart hatten, betonte Schulz. Die SPD habe dennoch die politische Mehrheitsentscheidung in der Bezirksverordnetenversammlung sofort akzeptiert und lediglich dessen Umsetzung kritisiert. Eine angemessene Beteiligung der Anwohner hätte die Situation wesentlich entspannt. Wie berichtet, versucht nach verschiedenen Anzeigen der polizeiliche Staatsschutz zu klären, ob und welche antisemitischen Äußerungen während der Veranstaltung am Freitag gefallen sind.

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