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Update

Werbeaktion der Salafisten: Kontroversen am Koranstand

In mehreren deutschen Städten haben Salafisten am Samstag den Koran auf der Straße verteilt - auch am Potsdamer Platz. Das Interesse war groß, ins Gespräch kamen die Passanten mit den Radikalen aber kaum.

„Lies!“, steht auf den T-Shirts der Salafisten geschrieben. Es ist ein Befehl. Mit zwei Kleinbussen fahren sie um halb zwölf auf den Potsdamer Platz, stapeln dann Dutzende Koranexemplare auf einen Holztisch. Jeder kann zugreifen, die Bücher werden kostenlos verteilt.

„Lies“, steht auch auf dem Pappschild, das Lena D. in die Höhe reckt – das englische Wort für „Lügen“. Die 24-Jährige ist gekommen, um gegen die Aktion der Radikalen zu protestieren. „Ich finde es unerträglich, was Verfassungsfeinden hier für eine Plattform gegeben wird – das macht mir Angst“, sagt sie.

Nicht nur an verschiedenen Orten in Berlin, auch in anderen deutschen Städten sollten am Wochenende Koran-Übersetzungen verschenkt werden – doch nicht überall traten die Verteiler an, wie sie es zuvor angekündigt hatten: Stände, die am Alexanderplatz und am Ku’damm angemeldet waren, gab es laut Polizei nicht. Die Salafisten streben laut Verfassungsschutz einen streng islamischen Gottesstaat an und gelten deshalb als demokratiefeindlich. Rund 350 Anhänger leben laut Behördenangaben in Berlin.

Trotz der Kritik ist das Interesse auf dem Potsdamer Platz zunächst groß: Passanten drängen sich um den Stand, greifen nach den rot-goldenen Büchern. „Darf ich eins für meine Tochter mitnehmen?“, ruft eine Frau. Sie darf. Kameras klicken, Handys werden gezückt, Polizisten beobachten die Aktion aus der Ferne. Auch junge Muslime sind gekommen, die sich um ihre Religion sorgen. Die 16-jährige Deniz Karadayi sagt:„Vieles, was in dieser Übersetzung steht, soll falsch sein.“ Sie will das Buch, das der salafistische Initiator der Aktion, Ibrahim Abou-Nagie, herausgegeben hat, trotzdem lesen. Mit ihrem Glauben habe das nicht mehr viel zu tun, befürchtet sie. „Der Islam wird entstellt.“

Eine junge Frau aus Steglitz hat sich ebenfalls ein Exemplar eingesteckt. Sie wolle sich selbst ein Bild machen, sagt sie. „Aber ich halte es nicht für sinnvoll, mit diesen Männern ein Gespräch zu führen – vor allem nicht als Frau“. Ein Passant versucht es: „Können Sie mir zeigen, wo steht, dass Frauen sich verschleiern müssen?“ Ein junger Mann mit Kinnbart, Häkelkappe und grauem Gewand blättert im Koran, findet aber die passende Textstelle nicht. „Ich kenne den Koran nicht auswendig“, sagt er. Dann wendet er sich ab und zieht sich an den Straßenrand zurück. (mit dpa)

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