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© Simulation: Multi Development

Wertheim: Alles muss raus

Das Kaufhaus Wertheim an der Schloßstraße bereitet sich auf das Ende vor. Am 27. März verabschiedet es sich endgültig von den Kunden - als letztes Wertheim überhaupt. Die Umsätze sind überraschend hoch.

Verwaist ist schon die Sportabteilung, bei Spielwaren und Kinderkonfektion sieht es kaum besser aus, der Bestand neigt sich dem Ende zu, Regale leeren sich. „Wir schließen von oben nach unten, nachgefüllt wird nicht mehr“, sagt Volker Pesarese, Geschäftsführer von Wertheim in Steglitz. Es war einst Berlins erstes neu gebautes Warenhaus nach dem Krieg. Nun ist es das letzte Wertheim überhaupt. „Tschüs, altes Haus“, steht auf Plakaten in den Gängen. Am 27. März – einem Freitag – verabschiedet es sich endgültig von seinen Kunden.

Die meisten Leute, die durch die vier Etagen schlendern, sind etwas betrübt. Ein schrumpfendes Kaufhaus ist ein trauriger Anblick. Aber die Kunden freuen sich auch, dass der Abschiedsschmerz mit heftigen Preisnachlässen versüßt wird.  Bis zu 30 Prozent sind es, und in der Endphase des Hauses werden es wohl 50 Prozent.  Einige Kassen wurden verstärkt. Volker Pesarese spricht von „Umsätzen, die uns selbst überraschen“. Er möchte, dass der Auszug geordnet und seriös wirkt. Auch soll es nicht so aussehen, als ende das alte Haus in einem Schnäppchenmarktchaos.

Auch für die rund 300 Mitarbeiter ist es ein leicht wehmütiger Abschied, gepaart allerdings mit der Aussicht auf einen neuen, helleren Arbeitsplatz auf der anderen Seite der Treitschkestraße. Pesarese spricht von Euphorie und Aufbruchstimmung in der Belegschaft. Am 2. April eröffnet das neue Karstadt-Haus, und weil Wertheim zu Karstadt gehört, ist die Adressenänderung kein Problem.

Die Fassade des alten Warenhauses bleibt zumindest erhalten, wird in originalgetreuen Zustand gebracht. Dahinter entsteht das Einkaufsquartier „Boulevard Berlin“ des Investors Multi Development. Bis 2011 könnte die neue Einkaufsstadt mit eigenständigen Häusern, einem Mittelhof und abzweigenden Passagen voller Läden entstanden sein. Mit Karstadt wäre der Komplex durch einen überdachten Boulevard verbunden. Noch sind Planungsfragen zu klären. Multi Development gehört auch das Gelände, auf dem Karstadt entstanden ist.

Aber noch steht das alte Wertheim, seine denkmalgeschützte Fassade sieht verwittert aus, wird später mit schwarzen Glasfliesen und Messing seine klassische moderne Schönheit zurückerhalten, so wie sie einst Hans Soll errichtete. Der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter war bei der Eröffnung des Hauses im Juli 1952 dabei, und es gab damals doppelt so viel Personal wie heute. Schon in den zwanziger Jahren hatte Wertheim das Gelände gekauft, das bis zur Lepsiusstraße reichte. Die Entwürfe für den Neubau gehen auf Otto Rudolf Salvisberg zurück. Ein Erweiterungsbau mit Parkhaus entstand Ende der sechziger Jahre an der Schildhornstraße, auch das Stammhaus erhielt zum Teil eine Lamellenfassade.

Mit Wertheim werden nicht nur viele ältere Anwohner ein Stück Historie schwinden sehen. Sie werden sich an Namen wie Café Huthmacher, an die Modehäuser Leineweber oder Prüß oder auch Feinkost Nöthling erinnern, die neben Wertheim in den Nachkriegsjahrzehnten ein Begriff in der Schloßstraße waren. Aber die Einkaufswelt hat sich dramatisch verändert, etwa durch Einkaufszentren wie das Schloss oder das Forum.

Wenn demnächst nach dem Abriss das neue Karstadt öffnet,werden das letzte Wertheim und sein Name zur Geschichte. Das erste Geschäft war 1875 in Stralsund eröffnet worden. Wenigstens in der Startphase des neuen Karstadt bleibt dem Wertheim-Komplex noch eine Schonfrist: als Parkhaus.

Christian van Lessen

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