zum Hauptinhalt
Um den Betrieb des Gasnetzes bewerben sich der momentane Betreiber Gasag, außerdem die Alliander AG und das landeseigene Unternehmen Berlin Energie.

© dpa

Wettbewerb um die Berliner Energienetze: Konkurrent Alliander will die Gasag neu erfinden

Das niederländische Unternehmen Alliander kämpft um den Zuschlag für das Berliner Gas- und Stromnetz. Die heutige Gasag bliebe dabei auf der Strecke, aber würde als Teil des Berliner Stadtwerks wieder auferstehen.

Die Energiepolitiker aus dem Berliner Abgeordnetenhaus werden demnächst zu einer interessanten Dienstreise eingeladen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der sie – als Selbstzahler, versteht sich – schon absolviert hat, soll jedenfalls beeindruckt gewesen sein, wird erzählt. Es geht in die Niederlande, wo selbstbewusste Manager in dieser Woche auch Berliner Journalisten erklärt haben, warum und wie sie künftig das Gas- und das Stromnetz in Berlin betreiben wollen. Um beides hat sich das von niederländischen Kommunen und Provinzen gehaltene Unternehmen Alliander beworben.

Akut wollen die Niederländer auf Kosten der Gasag wachsen. Denn die Ausschreibung fürs Gasnetz geht in die entscheidende Phase: Bis 7. April müssen die Bieter ihre finalen Angebote bei der Vergabestelle – einer Abteilung von Nußbaums Finanzverwaltung – abgeben. Im Rennen sind der neue Landesbetrieb Berlin Energie sowie die Gasag mit ihrer Netztochter NBB und eben Alliander. Beide bewerben sich alternativ auch um ein Kooperationsmodell, bei dem das Land beispielsweise mit 51 Prozent beteiligt ist.

Nach dem Konzept von Alliander würden der oder die neuen Betreiber der Gasag ihr Leitungsnetz für eine knappe Milliarde Euro abkaufen. Im Grunde sei die Gasag ohne das Netz wertlos, urteilt die Konkurrenz: Die Gesellschafter – Eon, Vattenfall und GDF Suez – seien zerstritten, die Gewinne aus den übrigen Geschäftsfeldern bescheiden. Tatsächlich steuert der Netzbetrieb in Berlin knapp die Hälfte zum Gewinn der Gasag bei.

Alliander will Ausbau dezentraler, umweltfreundlicher Energietechnik

Ginge es nach Alliander, könnte die Gasag die fürs Netz kassierte Milliarde in den Ausbau dezentraler, umweltfreundlicher Energietechnik, also Blockheizkraftwerke zur Strom- und Wärmeversorgung, investieren und so die energiepolitischen Ziele des Landes voranbringen, für die unter anderem das Stadtwerk gegründet wurde. Die grobe Rechnung: Für eine Milliarde bekäme man rund 4000 Blockheizkraftwerke, die etwa so viel Energie liefern würden wie ein typisches Berliner Vattenfall-Kraftwerk und leicht auf das schwankende Angebot an Wind- und Sonnenstrom abzustimmen wären.

Damit ihr Angebot fürs Land auch finanziell unwiderstehlich wird, haben die Alliander-Leute die Übernahme des Stromnetzes für weitere zwei Milliarden Euro gleich mitgerechnet. Bei 40 Prozent Eigenkapitalquote und 51 Prozent Anteil müsste das Land also fürs Gasnetz knapp 200 Millionen und fürs Stromnetz knapp 400 Millionen Euro beisteuern. Weitere 500 Millionen wären für die Hälfte der (mit der Milliarde fürs Netz aufgepumpten) Gasag fällig, deren Eigentümer Eon und Vattenfall sie ohnehin loswerden wollten. Macht also eine reichliche Milliarde Euro, für die das Land dann nicht nur die Hoheit über Gas- und Stromnetz zurückbekommen hätte, sondern dank des ebenso großen Beitrags von Alliander plus günstiger Kredite für den Rest der Finanzierung praktisch das vierfache Investitionsvolumen aktivieren würde.

„Politische Landschaftspflege“ nennt sich das, was Alliander tut

Gut möglich, dass diese Rechnung den Parlamentariern das Gefühl vermittelt, hier ordne ihnen jemand gleich mehrere schwierige Baustellen. „Politische Landschaftspflege“ nennt sich das, was Alliander tut. Die Niederländer haben Übung darin, denn von ihren Vorhaben müssen sie seit Jahren auch ihre eigenen Anteilseigner überzeugen. Ob die den kühnen Wachstumsplänen zustimmen, soll auf einer Aktionärsversammlung am 2. April entschieden werden.

Für die Vergabestelle in Nußbaums Verwaltung dürfen solche Szenarien, die gleich die Zukunft der Konkurrenz mitplanen, keine Rolle spielen. Aber viele der 315 Punkte, die in der Ausschreibung maximal zu holen sind, gibt es für „weiche“ Kriterien wie „Potenziale zur Effizienzsteigerung, z.B. Nutzung von Synergien/spartenübergreifender Zusammenarbeit“. Gut möglich, dass gründliche politische Landschaftspflege da den einen oder anderen Zusatzpunkt bringt. Es kann der entscheidende sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false