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Berlin: Wettstreit der Stimmen

25 Opernchefs und 100 Sänger aus aller Welt: Sie trafen sich zu einem Casting

Im schneeweißen Hosenanzug steht Jacqueline Wagner auf der Bühne im Foyer der Deutschen Oper. Gerade hat sie „I want magic“ gesungen. Vor ihr sitzen an Tischen mit Wasserflaschen und Schreibmappen drauf Repräsentanten von 25 renommierten Opernhäusern, darunter die Opéra National de Paris und die Royal Danish Opera. Sie wünschen sich als zweites Stück „Dove Sono“ aus der „Hochzeit des Figaro“. Die 23-jährige Sopranistin singt es so, dass man den strengen, modernen Anzug vergisst.

Ein neues Konzept hat an diesem Vormittag Premiere: Die „Berlin International Opera Auditions“. Dabei stellen sich 100 Sänger aus 32 Ländern den Opernchefs vor. Die Idee dazu stammt von David Blackburn, einem Opernsänger aus Texas, der dann Geschäftsmann wurde und seit zwei Jahren regelmäßig die Leiter europäischer Opernhäuser nach New York einlädt. Mehr als 100 Opernhäuser sind auf diese Weise mit 1500 Sängern zusammengebracht worden.

Warum er für die europäische Premiere seines Projekts Berlin gewählt hat? „Die Stadt ist ideal“, sagt Blackburn. Seine Argumente: Zentral gelegen, man kommt leicht hin, sie hat drei Opernhäuser und noch viel mehr kulturell zu bieten, denn die Intendanten möchten ja nicht nur arbeiten. 400 Euro müssen die Sänger für die Teilnahme bezahlen, außerdem 15 Euro für den Pianisten. Unmittelbar vor Jacqueline Wagner war Kinga Dobay aus Rumänien dran, danach singt Jan Durco aus der Slowakei.

Jacqueline Wagner gehört an diesem Morgen zu den Favoriten, auch die Intendantin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, hat sich Notizen gemacht. Die 100 jungen Sänger, die in diesen Tagen nach Berlin kommen, haben für jeweils 150 Euro bereits an einer Vorauswahl teilgenommen.

Auch Kristin Lewis, die Sopranistin aus Arkansas, die jetzt in Wien lebt, lässt aufmerken. Die 29-Jährige wird in der kommenden Saison an der Semper-Oper auftreten, würde aber sehr gern an jedem oder allen der hier vertretenen Häuser singen. Mit großer Strahlkraft singt sie eine Arie aus „Aida“. Eigentlich möchte man in Applaus ausbrechen, aber das geht nicht. Beim Vorsingen gibt es in der Regel keinen Applaus.

Diese Art des Castings macht trotzdem auch den Opernchefs Spaß. Sie können sich austauschen und mit Pokerface versuchen, möglichst geschickt die besten Sänger den anderen abzujagen und an ihr eigenes Haus zu holen. Lampenfieber? Habe sie nicht gehabt, sagt Kristin Lewis. Ein bisschen nervös sei sie aber immer. Dann muss sie aufbrechen. Nach dem Vorsingen eilen die meisten zum Flughafen, weil aktuelle Engagements in anderen Städten warten.

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