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Das ICC, die Wasserpreise und der Flughafen Tegel zählen zu den wichtigsten Infrastruktur- und Investitionsprojekten dieses Senats.

© Foto-Combo: Mike Wolff (li.), dapd (2)

"Wichtige Weichen" für die Zukunft Berlins: Diese Projekte will Rot-Schwarz jetzt angehen

Niedrigere Wasserpreise, Hochschule nach Tegel, Sanierung des ICC: SPD und CDU demonstrieren Handlungsfähigkeit und einigen sich auf wesentliche Investitionen. Die Koalition hofft, so aus der Misere heraus zu kommen.

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Nach den Negativschlagzeilen der vergangenen Monate will die rot-schwarze Koalition wieder Handlungsfähigkeit demonstrieren. Mit dem „Herbst der Entscheidungen“ wollen SPD- und CDU-Fraktion mit positiven Signalen den Diskussionen um das Flughafen-Chaos, die zwei Rücktritte von CDU-Senatoren innerhalb eines Dreivierteljahres und zuletzt die V-Mann-Affäre im NSU-Skandal etwas entgegensetzen.

Am Dienstag verabschiedeten die beiden Fraktionen einen Katalog von Vereinbarungen, die vor allen Dingen Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen betreffen. „Wichtige Weichen“ für die Zukunft Berlins seien gestellt worden, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Und sein CDU-Kollege Florian Graf ergänzte, dass sich die Fraktionen als „stabile Scharniere der Koalition“ gezeigt hätten.

Wasser

Alle Wasserkunden sollen für das Jahr 2012 eine finanzielle Entlastung von insgesamt 60 Millionen Euro erhalten. Diese soll mit den Abrechnungen 2013 erstattet werden, außerdem soll der Wasserpreis langfristig gesenkt werden. Rechnerisch würde jeder der rund 1,9 Millionen Berliner Haushalte durchschnittlich 30 Euro erstattet bekommen. Das Land kauft vertragsgemäß die RWE-Anteile an der Berliner Wasser Holding, um den Einfluss des Landes auf das Geschäft zu erhöhen.

Sowohl das politische Bekenntnis zu niedrigeren Wasserpreisen wie auch der unterschriftsreife Vertrag über den Rückkauf der RWE-Anteile sollen vom Parlament verabschiedet werden. CDU- und SPD-Fraktion beauftragen den Senat, mit dem verbliebenen Partner Veolia die Grundlage für die Zusammenarbeit neu zu verhandeln. „Gewinngarantien für private Investoren sind auszuschließen“, lautet die Bedingung der Fraktionen.

Den Mitarbeitern der Wasserbetriebe will die Koalition zusichern, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt und Tarifverträge eingehalten werden. Entsprechende Klarstellungen hatte bereits die Gewerkschaft Verdi gefordert.

Tangentiale Ost

Die Tangentiale Verbindung Ost wird gebaut. CDU und SPD argumentieren, dass dadurch die östlichen Bezirke an den Flughafen BER und das Wissenschaftszentrum Adlershof angebunden werden. „Die TVO erhöht die Chancen für Wirtschaftsansiedlungen in der Region und ist deswegen wichtig für die Stadt“, sagte Saleh. Die 6,5 Kilometer lange, vierspurige Straße soll die Spindlersfelder Straße (nordwestlich der Altstadt Köpenick) mit der Märkischen Allee (zwischen Friedrichsfelde und Biesdorf) verbinden und so den Nord-Süd-Verkehr bündeln.

Seit über 15 Jahren wird bereits über die TVO diskutiert. Wie die Streckenführung genau aussehen soll, möchten die Fraktionen dem Senat und den Bezirken überlassen. Im Herbst will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Diskussionen mit dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf über die Trassenführung abschließen. Wie teuer die Anbindung wird, ist noch offen.

Flughafen Tegel

Die Entwicklung des Flughafengeländes ist laut Saleh „ein Zukunftsprojekt“. 220 Hektar des 460 Hektar großen Airports sollen für Wissenschaft, Industrie, Dienstleistungen und Start-up-Gründungen genutzt werden. Nach den Worten von CDU-Fraktionschef Graf soll die Beuth-Hochschule ab 2015/16 als „Ankermieter“ einziehen und rund 15 Prozent ihres Hochschulbetriebs dorthin verlagern.

Bildergalerie: Konzepte für den Flughafen Tegel

Bis zu 2000 Studenten sollen dort studieren. Für die Finanzierung des „Masterplans Tegel“ und die Ansiedlung der Hochschule ab 2015/16 will die Koalition eine Anschubfinanzierung von 70 Millionen Euro gewährleisten. Die Hochschule soll ein Bindeglied zum Forschungs- und Industriepark für „Urban Technologies“ sein, der auf dem Gelände entstehen soll.

ICC

Wichtigste Botschaft ist, so Graf, das „klare Bekenntnis“, das ICC zu erhalten. Abriss oder Nichtnutzung seien „keine Alternative“. Dies war besonders der CDU wichtig. Nach dem Willen der Koalitionäre sollen maximal 200 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt für die Sanierung bereitgestellt werden.

Die Mittel werden aber erst freigegeben, wenn ein Nutzungskonzept vorliegt. So lange gebe es eine parlamentarische Sperre der Gelder, sagte Saleh. Der Senat soll deshalb mit der Messe Berlin und anderen Partnern ein „schlüssiges Nutzungs- und Bedarfskonzept“ aufstellen.

Bilder des ICC:

Für die Regierungsfraktionen ist eine Mischnutzung vorstellbar. Weiter gehende Vorstellungen wollten weder Graf noch Saleh äußern. „Wir wollen keine Denkverbote“, sagt Graf. Wenn man sich konzeptionell schon einschränke, werde die Suche nach potentiellen Investoren schwerer. Mit ihrem Beschluss haben sich die Fraktionen von der Koalitionsvereinbarung verabschiedet, in der noch deutlich von einer Nutzung als „zentrales Kongresszentrum“ die Rede ist.

Bei den Grünen stößt diese Abkehr auf starke Kritik. Sie sprechen von einem Schildbürgerstreich, da 200 Millionen Euro investiert werden sollen und gleichzeitig noch keine Klarheit über die Nutzung herrscht.

Ausschreibung des Stromnetzes läuft

Stromnetzkonzession

Schwer gerungen haben die Koalitionsfraktionen um die Regelungen für die Neuvergabe der Stromnetzkonzession. SPD und CDU waren sich bisher nicht einig, ob sich die öffentliche Hand am Stromnetz beteiligen soll. SPD-Fraktionschef Raed Saleh forderte ursprünglich eine Kommunalisierung des Stromvertriebs „zu 100 Prozent“. Am Dienstag sagte er aber, eine Koalition bedeute auch immer „einen Kompromiss“.

Die Union sah keinen Grund, warum die Konzession für den Stromvertrieb, die Ende 2014 ausläuft, nicht weiter privat betrieben werden sollte. Jetzt verständigten sich die Fraktionen darauf, dass sich ein in Gründung befindliches Berliner Unternehmen „Berlin Energie“ an den weiteren Schritten des Vergabeverfahrens beteiligen soll. An „Berlin Energie“ soll sich das Land dauerhaft mindestens 51 Prozent der Gesellschafteranteile sichern. Ziel sei es, verbraucherfreundliche Regelungen und preisgünstige Angebote zu schaffen, sagte Graf. Deshalb wolle man den Einfluss des Landes auf die Netzbetreiber erhöhen.

Derzeit führt der Senat die Ausschreibung des Stromnetzes durch. Bewerber sind neben Vattenfall die Thüga AG, die Alliander AG, Envia Mitteldeutsche Energie, Stadtwerke Schwäbisch Hall und State Grid International. Die Komplettübernahme des Stromnetzes wäre den Sozialdemokraten am liebsten gewesen, doch eine öffentlich-private Partnerschaft mit kommerziellen Betreibern ist nicht vom Tisch. Solche Kooperationsmodelle müssen in der Ausschreibung des Netzes rechtssicher offengehalten werden.

Immobilienholding BIH

Dass sich die Koalitionsfraktionen auf ein Verfahren mit der Immobilienholding BIH verständigt haben, ist nichts Neues. Bereits im Mai hatte der Senat beschlossen, die Risikoabschirmung für den Bankenskandal in Höhe von 21,3 Milliarden Euro abzuschaffen. Der Rettungsschirm für dubiose Immobiliengeschäfte in den 90er Jahren wurde durch eine normale Landesbürgschaft ersetzt.

Damit werden 3,8 Milliarden Euro Kredite abgesichert, die in den kommenden 20 Jahren abgezahlt werden müssen. Die 24 Immobilienfonds der ehemaligen Bankgesellschaft Berlin werden seit 2006 von der landeseigenen Berliner Immobilien Holding (BIH) verwaltet. Das Unternehmen bekommt vom Senat eine letzte Finanzspritze von 419 Millionen Euro, verliert seinen Sonderstatus und muss als „normale Landesbeteiligung“ auf eigenen Füßen stehen. 210 Millionen Euro werden noch für den Rückkauf der Immobilienfonds benötigt. Dazu kommen 111 Millionen Euro für Garantieansprüche und Abwicklungskosten.

Seit 1. Juli hat die Berlinovo Immobilien GmbH die Immobiliendienstleistungs- und Fondsgeschäfte übernommen. Ziel von Berlinovo ist es, sämtliche Anteile an den 24 Immobilienfonds, die die Bankgesellschaft vor einem Jahrzehnt fast in die Pleite führten, den privaten Zeichnern abzukaufen.

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