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Berlin: Widerstand zwecklos?

Das Archiv der DDR-Opposition bangt um seine Förderung – Opferverbände protestieren.

Politischer Widerstand und dokumentierte Opposition im Hinterhaus: Auf drei Etagen sind ein kleines Büro und das Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft untergebracht. Wer in die Schliemannstraße 23 kommt, der staunt über die Reichhaltigkeit der 500 Meter Akten und Dokumente, 780 Plakate, 80 000 Fotos und 5000 Videos, die hier aus der ganzen einstigen DDR zusammengekommen sind. Das Archiv ist ein Lehrbuch über Opposition und Widerstand aus einer Zeit, in der der aufrechte Gang gelernt und Bürgerstolz praktiziert wurde.

Es passt genau an diesen Ort, mitten in Prenzlauer Berg, bei den Aufmüpfigen von damals. Wenn die Gethsemanekirchenglocken läuten, ist das wie die Begleitmusik jener Tage im Herbst 1989, als hier das Licht einer anderen Zeit aufflackerte. 800 Anfragen müssen die Mitarbeiter pro Jahr bearbeiten, ihr wichtigstes Projekt war die viel gelobte Ausstellung zur friedlichen Revolution auf dem Alexanderplatz.

Schon vor Monaten aber gab es die Befürchtung, dass das Archiv seine Arbeit einstellen muss, weil die finanzielle Grundlage instabil ist und nurmehr aus zeitlich begrenzten Projekten besteht. Als im Sommer Tom Sello, der einst die Umweltbibliothek aufgebaut hatte, das Bundesverdienstkreuz erhielt, war fraglich, ob ihm nicht Ende des Jahres die Kündigung auf den Schreibtisch im Archiv der DDR-Opposition flattert. „Wir haben keine finanzielle Grundsicherung“, sagt Geschäftsführer Olaf Weißbach. Bis heute sind die 400 000 Euro für Projektarbeiten nicht bewilligt – und das, wo schon jetzt die Vorbereitungen auf das 25. Jubiläum des Mauerfalls im November 2014 auf Hochtouren laufen. „Wir brauchen eine institutionelle Förderung für das Archiv, und da ist der Bund gefragt, denn die Anforderungen an uns werden immer größer“, sagt Tom Sello. Die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur finanzierte Havemann-Projekte aus ihren Zinseinnahmen, die aber neuerdings so niedrig sind, dass etwa eine Million Euro fehlt.

Jetzt haben 26 Opferverbände und Initiativgruppen einen Brief geschrieben, adressiert an Kulturstaatsminister Bernd Neumann sowie an die Verhandlungsführer bei den Koalitionsgesprächen. „Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur im 25. Jahr der Friedlichen Revolution in Gefahr!“ ist der Titel, denn „von den jährlichen 2,8 Millionen Euro durch die Bundesstiftung zu vergebenden Fördermitteln fehlen für die Projekte im Jahr 2014 etwa 1,5 Millionen Euro, bedingt durch die schlechte Zinsentwicklung“. Damit könnten wichtige Projekte, deren einzige Geldgeberin die Stiftung ist, nicht mehr durchgeführt werden, beklagen die Unterzeichner. Deshalb sei es notwendig, dass der unverschuldete Mittelausfall vom Bund ausgeglichen wird. „Die Bundesregierung wird beweisen müssen, dass sie der Aufarbeitung des Kommunismus die gebührende Aufmerksamkeit widmet“, heißt es.

Der Berliner Bürgerrechtler Ralf Hirsch sagt, es sei unerlässlich, dass es diesen Ort gibt, an dem jeder das Funktionieren einer Diktatur anhand von Quellen aus der Opposition erschließen kann und nicht nur aus den Akten der Partei- und Staatsarchive. Damit auch künftig im Hinterhaus historische Quellen nicht versiegen. Lothar Heinke

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