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Die Ostseestrände sind derzeit voll mit Urlaubern. Orte wie Binz auf Rügen gehören zu den beliebtesten Reisezielen der Berliner. Deswegen verlagert die Linke einige ihrer Aktivitäten dorthin, um für sich zu werben.

© Stefan Sauer/dpa

Abgeordnetenhauswahl: Berliner Politiker machen Wahlwerbung an der Ostsee

Ostsee oder Badesee: Die Berliner sind in den Sommerferien. Manche Parteien fahren ihnen in den Urlaub hinterher, um Werbung zu machen – mit Bananen, Eis und sogar mit einem Boot.

Von Sabine Beikler

Ob Hiddensee, Darß, Warnemünde, Usedom oder Kalifornien an der Kieler Bucht: Die Berliner zieht es in den Ferien an die Ostsee. Elf Prozent aller Urlaubsreisen ab fünf Tagen Dauer machten die Hauptstädter 2015 an der deutschen Ostsee. Umgerechnet sind das rund 350 000 Urlaubsreisen. Das geht aus der Reiseanalyse 2016 der „Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V., Kiel“ hervor. Weil man auch im Strandkorb potenzielle Wähler für das Abgeordnetenhaus am 18. September trifft, bewegen sich einige Landespolitiker während der Sommerferien an die Küste. An diesem Wochenende nimmt etwa die Berliner Linke an der „Ostseebädertour“ als Wahlkampfauftakt ihrer Genossen aus Mecklenburg-Vorpommern teil und verschenkt Bananen mit der Banderole „Sozialismus jetzt auch mit Bananen“ an die Urlauber.

Die Berliner Ex-Umweltsenatorin und Landesvorstandsmitglied Katrin Lompscher reiste am Freitag nach Rostock-Warnemünde, lud Feriengäste am Stand ein, ihren Kopf durch einen Berliner Bären aus Pappe zu stecken und ein Foto machen zu lassen. Die Berliner hatten auch eine Popcorn- und eine Zuckerwattemaschine dabei und verteilten je nach Geschmack Saures, Süßes oder Brause in Bechern – rote, versteht sich – mit der Aufschrift „Bitte mit links halten“.

Keine Partei macht während der Sommerferien Urlaub – schon gar nicht die Spitzenkandidaten, die sich allerhöchstens ein verlängertes Wochenende ohne Wahlkampf gönnen. Der Spitzenkandidat der Linken, Klaus Lederer, hat seinen Urlaub schon hinter sich und wird am Montag in Binz auf Rügen an der Seebrücke erwartet. Lederer will sich wie andere Parteipromis unters Volk mischen und mit Urlaubsgästen ins Gespräch kommen. Geplant sind Talkrunden mit Lederer und seiner mecklenburgischen Amtskollegin Heidrun Bluhm, nicht verwandt mit der früheren Berliner Sozialsenatorin Carola Bluhm. Am Dienstag geht die Ostseebäder-Tour der Linken nach Graal-Müritz, wo eine Gesprächsrunde mit Klaus Lederer, Heidrun Bluhm und dem Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, geplant ist. In der zweiten Augusthälfte lädt die Linke in Berlin zu einer Kochtour mitsamt Lebensmitteln und Kochgeschirr durch die Bezirke sein. „Es wird gemeinsam geschnippelt, gekocht und gegessen“, sagt Landesgeschäftsführerin Katina Schubert.

Haustür-Besuche und Kneipengänge

Die CDU dagegen schwärmt in den Sommerferien zu den Berliner Badestellen aus. Mit ihrem dreirädrigen Rollermobil, einer Piaggio Ape aus Italien, fahren die Christdemokraten an Wann- oder Müggelsee und wollen Badegäste „eiskalt“ überraschen. Ähnlich wie 2014, als die Union mit dem Dreirad ihren Zukunftsdialog „Berlin Vision 21“ bewarb und Wassereis verteilte, sollen die Berliner Eistaschen erhalten. Mit dem Smartphone kann man über den daran angebrachten QR-Code auch Wahlwerbung anschauen. „Wir wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen “, sagt Landesgeschäftsführer Dirk Reitze.

Die Linke verteilt die einst in der DDR begehrte Südfrucht.
Die Linke verteilt die einst in der DDR begehrte Südfrucht.

© promo

Vor einer Woche hatte der CDU-Parteitag das Wahlprogramm „Starkes Berlin“ verabschiedet. Dieses heißt bei der Union „Drehbuch“, weil die Inhalte in einem 35-minütigen Film dargestellt sind. Nur will sich nicht jeder Wähler die zwölf Themenfelder auf Youtube anschauen. „Wir werden das Programm auch schriftlich verteilen“, heißt es aus der Landesgeschäftsstelle. Noch ist das Layout nicht fertig, frühestens nächstes Wochenende sollen Kreisverbände an den Ständen die 106 Seiten in gebundener Form anbieten können. Kampagnenmanager und Justizsenator Thomas Heilmann will in seinem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf das gedruckte Programm nur „auf Nachfrage“ zusenden.

Auch die SPD setzt nicht auf große Veranstaltungen, sondern auf den Straßenwahlkampf. Während die CDU am 13. August zu einer Gedenkveranstaltung an der Glienicker Brücke einlädt, plant die SPD ein Sommerfest in der Nähe des Hackeschen Marktes. „Wir organisieren außerdem Haustür-Besuche oder gehen in Kneipen, um mit den Berlinern zu sprechen“, sagt Landesgeschäftsführer Dennis Buchner. Wie in den anderen Parteien auch sind die Kreisverbände für den Wahlkampf verantwortlich. Wichtige Termine werden per SMS zwischen Landesgeschäftsstelle und dem Regierenden Bürgermeister und Spitzenkandidaten Michael Müller organisiert.

„Wir sind sehr aktiv und führen Straßenwahlkampf“

Bei den Grünen ist die Wahlkampfmaschinerie schon voll im Gang. Das vierköpfige Spitzenteam teilt sich die Termine auf. Während Landeschef Daniel Wesener und Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Ramona Pop schon im Urlaub waren, werden Landeschefin Bettina Jarasch und Fraktionschefin Antje Kapek demnächst ihre Ferien antreten. Pop will in den Sommerferien viele Unternehmen besuchen, Bezirkstouren unternehmen, Grünen-Stände besuchen oder an Info-Runden teilnehmen. Am kommenden Wochenende trifft sich das Vierer-Team zum „Anplakatieren“, denn sieben Wochen vor der Wahl darf die Wahlwerbung im Straßenbild sichtbar sein. Auch alle anderen Parteien starten mit ihren Plakataktionen.

Die FDP, die um ihren Einzug ins Abgeordnetenhaus kämpft, gibt in den Ferien „Vollgas“, betont Sprecher Jean-Paul Neuling. Spitzenkandidat Sebastian Czaja ergänzt: „Für Urlaub ist keine Zeit. Denn die Liberalen werden in Berlin auf Herz und Nieren geprüft, was die vielen Anfragen beweisen.“ Die FDP wirbt um ihren „Plan B“ für Wohnungsbau, Mobilität oder Sicherheit. Czaja wird unterwegs sein in Bezirken, besucht Unternehmen, nimmt an Stammtischen teil, führt Gespräche mit Verbandsvertretern oder debattiert unter dem Motto „Currywurst trifft Maultasche“ mit Michael Theurer, dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Delegation im EU–Parlament, über ein starkes Europa der Regionen.

Auch die Piraten kämpfen um den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus. „Wir sind sehr aktiv und führen Straßenwahlkampf“, sagt Jessica Miriam Zinn vom Vorstand der Piratenpartei. Das „Peace“-Motorboot werde in den Ferien „quer durch Berlin fahren“, an verschiedenen Stellen anlegen. Die Piraten an Bord wollen „an Land“ mit Berlinern ins Gespräch kommen. Außerdem will die Partei auf Info-Veranstaltungen, Festen oder an Ständen präsent sein.

Die AfD hat es schwerer mit dem Wahlkampf. Sprecher Ronald Gläser berichtet von einem „Boykott“ einiger Veranstaltungsorte. So habe man kein Sommerfest am Grunewaldturm nach einer Absage organisieren können. „Wir setzen auf Straßen- und Online-Wahlkampf“, sagt Gläser. Im Gegensatz zur AfD sind bei den anderen Parteien Großveranstaltungen mit Bundesprominenz in der Regel im Endspurt zwei Wochen vor der Wahl geplant. Dann hoffen die Politiker, die bis dahin unentschlossenen Wähler noch für ihre Partei gewinnen zu können. Nach den Ferien.

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