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Berlin: Wie Constanze Salm-Rohn in ihrer Manufaktur Teddys und nette Ratten herstellt

Manche Leute behaupten, Constanze Salm-Rohn habe ihnen eine Bären aufgebunden. Vielleicht hat sie ihnen zuvor in heiterer Laune erzählt, sie sei in der Tierbranche tätig - und das entspricht sogar ein wenig der Wahrheit.

Manche Leute behaupten, Constanze Salm-Rohn habe ihnen eine Bären aufgebunden. Vielleicht hat sie ihnen zuvor in heiterer Laune erzählt, sie sei in der Tierbranche tätig - und das entspricht sogar ein wenig der Wahrheit. Sie pflegt zwar keine Tiere und züchtet sie auch nicht, aber sie hat schon viele Geschöpfe erschaffen, mit denen sich wunderbar schmusen läßt. Constanze Salm-Rohn betreibt eine Manufaktur für Teddybären in der Rheinsberger Straße 7 in Mitte. Markenzeichen: ein winziges, rotes Herz, das sie ihren Plüschtieren ins Ohr petzt. "CoSa Herzklopfen" steht deshalb auf dem Schild am Eingang ihrer gemütlich ausgebauten Remise im Hinterhof. Wer hätte also kein Verständnis dafür, daß Berlins Wappentier hier in vielfältiger Gestalt eingezogen ist?

Es sitzen allerdings ein paar Fremdlinge auf dem Fensterbrett wie Fritzi, die Maus oder Genoveva, die Ratte. Aber sie werden von den Bären in großstädtischer Manier akzeptiert. "Keiner ist brummig", sagt Constanze Salm-Rohn, schließlich hat sie die Geschöpfe mit der spitzen Nase erst jüngst geschaffen und gedacht: "Es muß doch möglich sein, auch nette Ratten zu machen."

Dafür ging sie wie ein Comiczeichner vor. Sie studierte die Tiere in Büchern und Zooläden, beachtete Grundformen des Körpers wie Pfötchen und Schnauzen, damit jedermann Genovevas Abstammung erkennt - aber dann ließ sie ihrer Fantasie freien Lauf. So wurde Genoveva eine Knuddelratte mit Schlenkerbeinen und viel Persönlichkeit.

Genauso bringt Constanze Salm ihre Teddys in die Welt. Zum Beispiel Hänschen, den goldgelben Klassiker, geschaffen nach Vorbildern aus der Kaiserzeit. Oder Herby, den zeitgenössischen Burschen. Er trägt eine Basecap oder Pudelmütze und schaut mit seinen Knopfaugen durch eine kreisrunde Brille in die Welt hinaus. Beide sind mollig, das fällt besonders wegen ihres schlanken Nachbarn auf. Der heißt Hirsel und könnte ein Zeitungsjunge sein, weil er so pfiffig aussieht, als sei er ständig auf dem Laufenden. Markenzeichen: Schiebermütze, Hosenträger, Hundeschlappohren. Die schauen durch Schlitze oben aus der Kappe heraus.

Klare Sache. Auch in der Bärenwelt gibt es Typen für unterschiedlichste Liebhaber. Deshalb fällt den Eltern und Kindern, Sammlern und anderen Kunden die Auswahl in der Rheinsberger Straße so schwer. Außerdem produziert Constanze Salm-Rohn ganze Bärenfamilien über drei Generationen und läßt sie von zehn Mitarbeitern herstellen. Alle gelten als Künstlerbären, weil sie für Liebhaber entworfen und in Handarbeit hergestellt werden und die Zahl ihrer Zwillingsgeschwister überschaubar bleibt. Kein Mitglied des Bärenvolkes mit dem Herzen im Ohr wird tausendfach kopiert.

Es wäre auch schwer, sie in solchen Mengen zu verkaufen, denn die Petze aus Mitte sind kein amtlich abgesegnetes Spielzeug. Sie haben kein Prüfsiegel. Schon alleine wegen des Materials. Das müßte "schwer entflammbar" sein. Doch solche Sicherheitsstoffe wirken weniger natürlich als die Baumwollstoffe- und Felle, die Constanze Salm-Rohn bei Textilfirmen und Händlern für Teddyzubehör bestellt. Ähnlich verhält es sich bei den Augen. Vorschriftsmäßig sind Kunststoffaugen "mit reißfester Befestigung". Das ist eine Scheibe, die im Kopf verankert wird. Kein Kleinkind kann einen solche Teddy zum Krüppel machen und die Augen verschlucken. Doch Constanze Salm bevorzugt Glasaugen und vernäht sie zur Sicherheit fest im Kopf. "Die bringen mehr Leben ins Gesicht", sagt sie - und darauf kommt es ihr an. "Ein Bär ist nur gut, wenn ich denke: Den willst Du selber haben."

Wie wird man Plüschtierhersteller? Constanze Salm-Rohn schrieb als Journalistin für Zeitungen. Doch 1992 veränderten die Telebärchen des Senders Freies Berlin (SFB) ihr Leben. Sie wurden damals als Nachfolger des traditionellen SFB-Bären vorgestellt, der als zu brummig und nicht mehr zeitgemäß galt. Constanze Salm-Rohn sollte die neuen Maskottchen in ihrem Blatt vorstellen - und das war Liebe auf den ersten Blick. Sie wollte dieses muntere Trio nicht nur auf der Mattscheibe sehen, sondern als Kuscheltiere herausbringen und nahm die Sache selbst in die Hand. In Asien ließ sie die Bären produzieren, in Berlin verkauften sie sich gut. So begann ihre Teddykarriere.

Heute arbeitet Constanze Salm-Rohn in ihrem Büro in Mitte, das einem Wohnzimmer ähnelt. Umgeben von ihren Lieblingen und der Teddy-Illustrierten. Ein Bild, wie geschaffen für den Ikea-Katalog. Nur der große Schreibtisch und der PC, hinter dem sie oft verschwindet, passen nicht so recht ins Bärenheim. Doch wer heute Teddys an Boutiquen in ganz Deutschland verkaufen will, braucht ein professionelles Management - gepaart mit alten Handwerkskünsten. Die hat Constanze Salm-Rohn in einem Designerkurs für Plüschtiere studiert. Seither stellt sie ihre Bären nur noch in Berlin her.

Erfindet sie eine neue Figur, wird sogleich ein Muster ausprobiert. Sie zeichnet den Prototyp, entwirft einen Schnitt und gibt ihn der Schneiderin. Die überprüft alle Maße, dann näht sie die Körperhülle einzeln für Beine, Arme, Kopf und Bauch. Die Tatzen werden aus Leder-Imitat angefertigt, die Nasen aus Garn fest gestickt, danach beginnt das Stopfen mit dem Stopfholz. Man presst Holzwolle, Schafwolle oder synthetische Teddywolle so massiv in die Körperteile, dass kein Gramm mehr hineinpasst. Dazu braucht es Kraft und Fingerspitzengefühl. Wer stopft, modelliert zugleich.

Alles fertig? Der Teddy liegt in Einzelteilen auf dem Tisch. Kein netter Anblick. Ein Montierer eilt herbei und bastelt die Gliedmaßen mit Splinten zusammen. Geburt eines Schmusebärs. Kompliment, es ist ein freundlicher Teddy geworden. In den nächsten Wochen wird er noch eine Reihe Schwestern und Brüder bekommen.Gruppen können sich die Teddymanufaktur anschauen. Fabrikverkauf Montag und Freitag, 12-16 Uhr. Telefon: 44 00 97 52.

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