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Berlin: Wie der Vater so der Sohn? Alkohol - für Siebtklässler nichts Unbekanntes

Die Sonne scheint, die Frauen sind schön, am Strand liegt eine Yacht, die auf dich wartet, weil du der Größte bist. Denn das Leben ist ein Fest ohne Pause und ohne Probleme sowieso.

Die Sonne scheint, die Frauen sind schön, am Strand liegt eine Yacht, die auf dich wartet, weil du der Größte bist. Denn das Leben ist ein Fest ohne Pause und ohne Probleme sowieso. So oder so ähnlich werben die Hersteller alkoholischer Getränke von der Brauerei bis zur Likörfabrik im Fernsehen und auf Plakatwänden für ihre Produkte.

Welche Wirkung üben Werbespots für Bier oder harte Drinks jedoch auf junge Leute aus? Sind sie Auslöser oder beeinflussen sie nur die Auswahl der Getränke? Nach Ansicht des Psychologen Reinhold Bergler von der Universität Bonn hat Werbung keinen nachweisbaren Einfluss darauf, ob junge Leute zur Flasche greifen oder nicht. Bergler hat am Dienstag in Berlin die Ergebnisse einer Studie mit der Überschrift "Ursachen des Alkoholkonsums Jugendlicher" vorgelegt.

Bergler und sein Team kommen nach Befragung von 997 Jugendlichen und nach der Analyse der maßgeblichen Literatur zu dem Schluss, dass es keine Anhaltspunkte für die Werbung als Auslöser für Alkoholmissbrauch oder auch nur -genuss gibt. Entscheidend sei die Werbung nur für die Auswahl der Produkte. Bergler musste gestern einräumen, dass seine Untersuchung mit Zuwendungen von Brauereien finanziert wurde. Insgesamt habe er Drittmittel in Höhe von 80 000 Mark erhalten, sagte der Lehrstuhlinhaber. Bergler warnte die Politiker der Europäischen Union und des Bundes davor, auf Werbebeschränkungen als Allheilmittel für die Lösung von Problemen in Elternhaus und Schule zu setzen.

Interessant ist, dass die Erkenntnisse unabhängiger Wissenschaftler den Angaben Berglers nicht grundsätzlich widersprechen. Fachleute der Senatsjugendverwaltung beobachten zwar "eine unglückselige Allianz zwischen Alkohol und Sport", sehen die hauptsächlichen Ursachen für das Verhalten junger Leute aber bei den Eltern. "Der erste Schluck als Einstieg sollte soweit wie möglich hinausgeschoben werden", sagt Matthias Apel, Mitarbeiter bei der Landesdrogenbeauftragten in der Jugendverwaltung. Apel glaubt, dass "die Werbung auch die Einstellung zum Alkohol prägt". Nach einer Erhebung aus den Jahren 1995 und 1996 lebten vor drei Jahren im Westteil der Stadt 44,4 Prozent der 15- bis 17-Jährigen vollkommen abstinent, im Ostteil sogar 58,5 Prozent. Bei 40 Gramm reinem Alkohol täglich (entspricht etwa einem Liter Bier) verläuft die Grenze zum Missbrauch. Im Westteil blieben 7,3 Prozent kurz darunter, 0,4 Prozent trinken sogar mehr. Im Ostteil erreichen 4,6 Prozent den Grenzwert von 40 Gramm reinen Alkohol, 1,8 Prozent liegen darüber.

Nach der Studie "Alkoholkonsum unter Berliner Schülern", für die Fachleute des Berliner Robert-Koch-Instituts 1994 und 1995 insgesamt 5292 Schüler im Alter von 12 bis 16 Jahren befragten, haben bereits drei Viertel der Schüler aus siebenten Klassen Alkohol probiert. Meist geschah dies im Familienkreis. Acht Prozent der Schüler trinken laut Studie regelmäßig, 20,5 Prozent gelegentlich, 58,3 Prozent selten und 13,2 Prozent überhaupt nicht. Die Zahl der abstinent lebenden Schüler ist seit Mitte der 80-er Jahre gestiegen. Zudem trinken Hauptschüler nach den Erkenntnissen der Jugendverwaltung öfter als Gymnasiasten. Für Heike Hölling vom Robert-Koch-Institut steht fest, dass Eltern ihre Kinder zum Trinken "verführen", denn "Jugendliche trinken aus Gefälligkeit". Auch Frau Rölling sieht, dass "der Eindruck von Leichtigkeit, den die Werbung vorspiegelt, eine Wirkung auf junge Leute hat". Nachgewiesen sei dies bislang aber nicht. Unbestrittene Katalysatoren seien Gewalt zu Hause, Einsamkeit, Stress, Leistungsdruck und Überforderung.

Michael Brunner

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