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Berlin: Wie Esel kleine Wunder bewirken

Auszeichnung für eine wegweisende Initiative

Sophie hat sich zur Konfirmation ein Geschenk gewünscht, mit dem sie Gutes tun kann. Also bekam sie einen Esel. Der Esel steht aber nicht in ihrem Zimmer herum und wartet darauf, dass man mit ihm spielt. Dieser Esel nimmt Sophie keinen Platz weg, sondern tut weit weg jeden Tag unglaublich viel Gutes. Er lebt in Eritrea. Dort hilft er in ihrem Namen einer armen, alleinerziehenden Mutter, eine Existenzgrundlage zu schaffen für sich und ihre Kinder.

Einer Frau wie Abrehet Andrebehan zum Beispiel, die schon mit 13 Jahren Kriegerwitwe und Mutter war und jetzt, mit 18, auch noch das Kind der verstorbenen Schwester großzieht. Ein weiblicher Esel kann sie aus einem Teufelskreis befreien. Der Esel erleichtert nicht nur die Mühsal des täglichen Wasserholens, sondern hilft später vielleicht auch dabei, ein Haus zu bauen, einen Garten oder einen kleinen Laden. Anders als mit einem Kredit ist mit einem geschenkten Esel kein Risiko verbunden.

Die Erfinderin der „Esel-Initiative“ heißt Stefanie Christmann. Sie ist 46 Jahre alt und spricht mit rheinischem Akzent. 1994/95 reiste sie zum ersten Mal nach Eritrea, um für die EU eine Studie über die Situation der Frauen zu machen nach dem 30 Jahre währenden Befreiungskrieg, der erst 1991 zu Ende gegangen war. Zuvor hatte die Germanistin während der Amtszeit von Richard von Weizsäcker im Planungsstab des Bundespräsidialamtes gearbeitet. „Ich glaube, dass man alle paar Jahre mal was Neues machen muss, das hält jung“, sagt sie und lächelt vergnügt. Derzeit arbeitet sie im Umweltministerium.

Ihre Freizeit wird seit jener ersten Reise von Eritrea bestimmt. Das Schicksal der vielen alleinerziehenden Frauen auf dem Land war ihr zu Herzen gegangen. Manche müssen vier Stunden weit gehen zur nächsten Wasserstelle, schleppen die 20-Liter-Kanister auf dem Rücken zurück. Pro Person gibt es oft nur drei oder vier Liter täglich, zum Trinken, zum Kochen, zum Waschen. Viele Frauen und Kinder, die sie sah, waren total unterernährt, mussten um ihren Lebensunterhalt betteln oder sich täglich einen neuen Job, zum Beispiel als Tagelöhnerin in der Feldarbeit, suchen. Näher zum Wasser zu ziehen, kam für die meisten nicht in Frage. Man kann nur mit dem umziehen, was man selber tragen kann, außerdem ist das Leben in der Nähe von Wasserstellen gefährlich, weil nachts die Malariafliegen kommen.

Zusammen mit ehemaligen Kämpferinnen, die in der Nationalen Frauenunion Eritreas zusammengeschlossen sind, gründete sie 1995 die Esel-Initiative. Der Besitz eines weiblichen Esels hat seitdem das Leben vieler Frauen verbessert. Statt alle Energien in die Mühsal des täglichen stundenlangen Wasserschleppens zu stecken, konnten sie beginnen, sich eine bessere Existenzgrundlage zu schaffen. Ein Esel mit einem Kautschuksack für Wasser kostet 110 Euro. Den Nachwuchs der Esel können die Frauen großziehen und verkaufen. Oder sie tauschen die jungen Esel gegen Ziegen und haben so Milch für die Kinder. Es werden manchmal auch männliche Esel vergeben, die dann als Hebammen-Taxis eingesetzt werden.

Stefanie Christmann kennt viele Erfolgsgeschichten und hat sie auf Postkarten festgehalten, hat außerdem ein Kinderbuch geschrieben mit dem Titel „Askalu will einen Esel“. Es handelt von einem kleinen Mädchen, dessen Vater im Krieg gestorben ist. Weil die Mutter Geld verdienen muss, hat es Wasser zu holen, dabei würde es so gern in die Schule gehen wie der Bruder. Als sich die Mutter nicht traut, nach einem Esel zu fragen, versucht Askalu es selbst. Die Geschichte hat ein Happy End. Wenn ein Esel da ist, helfen sogar die Jungen beim Wasserholen, was sie sonst nie tun würden.

Ihren Jahresurlaub nutzt Stefanie Christmann in der Regel dazu, durch Eritrea zu reisen. Die Reisekosten trägt sie selbst, von allen Mitgliedern der Initiative wird ebenfalls erwartet, dass sie Porto etc. aus eigener Tasche bezahlen. Die Initiative ist sehr angesehen in den Orten, auch die Dorfältesten sehen die Erleichterung für die Gemeinschaft, wenn die alleinerziehenden Frauen nicht mehr betteln und Schulden machen müssen.

Heute verleiht Bundespräsident Horst Köhler anlässlich des gestrigen Tages der Deutschen Einheit den Verdienstorden an 47 Persönlichkeiten. Eine davon ist Stefanie Christmann.

www.esel-intiative.de

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