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Handzeichen: Die SPD ist im Wedding bei der Wahl 2013 die stärkste Kraft

© dpa

Wie haben Wedding & Gesundbrunnen gewählt?: Rot-Roter Wedding

Der "Rote Wedding" ist lange passé. Doch wie wählt der Wedding heute, im Jahr 2013? Der Wedding Blog hat die Zahlen aus den Wahlbezirken ausgewertet - aus dem Roten Wedding ist demnach ein Rot-Roter Wedding geworden. Am stärksten von allen aber: Die Nichtwählerpartei.

Das Schlagwort vom „Roten Wedding“ ist allseits bekannt. Er bezieht sich vor allem auf die Zeit der Weimarer Republik, als die kommunistische KPD bis zu 40 Prozent in dem Berliner Arbeiterbezirk einheimsen konnte, die SPD dazu noch einmal rund 30 Prozent. Alles längst Geschichte, die KPD ist seit 1956 in Deutschland verboten, die großen Fabriken im Gebiet lange geschlossen. Und was ist aus dem „Roten Wedding“ geworden? Ist davon noch was übrig geblieben bei der Bundestagswahl 2013?

Der Wedding Blog hat sich durch die Ergebnisse der Wahlbezirke in den Ortsteilen Wedding und Gesundbrunnen gewühlt (also dem Gebiet des ehemaligen Bezirks Wedding – das im Folgenden stets gemeint ist, wenn von „Wedding“ die Rede ist). Hier ist unsere Analyse auf Basis des vorläufigen Wahlergebnisses.

Stärkste Kraft im Wedding: Die "Nichtwählerpartei"

Um es vorweg zu nehmen: Der Wedding des Jahres 2013 ist weiß - weiß wie ein leeres Blatt Papier. Denn die Weddinger wählen heute vor allem – nicht. 36,8 Prozent hat die fiktive „Nichtwähler-Partei“ zwischen Rehberge und Brunnenviertel am Sonntag eingefahren. Und hat damit die in Wirklichkeit stärkste Partei, die SPD (28,0 Prozent), um 8,8 Prozent übertroffen. Klare Mehrheit.

Nur 63,2 Prozent wollten in diesem Jahr ihrer Bürgerpflicht nachgehen. Zum Vergleich: Die Beteiligung im gesamten Bezirk Mitte lag bei 69,4 Prozent. In ganz Berlin lag die Wahlbeteiligung sogar bei 72,4 Prozent.

Wahllokal für die Wahlbezirke 124 und 128 in einer Schule in der Stralsunder Straße 43 im Wedding
Wahllokal für die Wahlbezirke 124 und 128 in einer Schule in der Stralsunder Straße 43 im Wedding

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Wedding wählt nicht mehr so gerne, das ist keine neue Nachricht, auch bei vergangenen Wahlen zeigte sich das schon. Am wenigsten wahlfreudig sind die Menschen im Wahlbezirk 624 gewesen (Reinickendorfer Straße, Schulstraße, Maxstraße), hier gingen am Sonntag nur 41, 5 Prozent der Wahlberechtigten, also nur gut jeder Dritter zur Urne (ohne Briefwahl). Die höchste Beteiligung gab es im Wahlbezirk 520 (Afrikanische Str. / Transvaalstr. / Guineastr. / Kameruner Str.), hier gingen 71,3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ins Wahllokal.

Und was ist aus dem „Roten Wedding“ geworden? Nun, die Partei, die ihm im heutigen System vermutlich am nächsten kommen würde, Die Linke, wurde mit 17,0 Prozent hinter den beiden Großen immerhin drittstärkste Kraft im Wedding. Und der SPD (28,0 der Zweitstimmen) gelang hier, was ihr sonst in keinem West-Berliner Bezirk gelang: Die stärkste Partei vor der CDU (21,2) zu werden – mit deutlichem Vorsprung.

Berlin ist politisch noch eine geteilte Stadt, das zeigte auch die Wahl 2013 wieder. In den ehemaligen West-Bezirken setzten sich fast überall die CDU-Direktkandidaten durch, in reinen Ost-Bezirken ausschließlich Die Linke. Und dazwischen liegt das grüne Kreuzberg sowie Neukölln und Mitte (beide SPD).

Piraten wären in einem "Weddinger Parlament" vertreten

Ist der Wedding wegen seiner zentralen Lage vielleicht sogar repräsentativ für Gesamt-Berlin? In fast allen Fällen erstaunlicherweise ja. Das Ergebnis der Linken liegt hier nur 1,5 Prozent niedriger, das der Grünen nur 2,9 Punkte höher als im Stadtschnitt, auch die SPD holte lediglich 3,4 Prozent mehr. Die FDP hat in beiden Bereichen die Fünf-Prozent-Hürde klar verfehlt (2,5 im Wedding, 3,6 in Berlin), die Piraten dagegen wären in ein fiktives Weddinger Parlament eingezogen (5,3 Prozent gegenüber 3,6 in Berlin, auch hier jedoch kein riesiger Unterschied). Die Alternative für Deutschland hätte es im Wedding dagegen mit 3,9 Prozent nicht geschafft.

Die einzige größere Abweichung gibt es bei der CDU, sie erhielt im Wedding 7,3 Prozent weniger; der einstige Arbeiterbezirk ist damit 2013 deutlich weniger schwarz als die meisten Westberliner Stadtteile.

Mutlu kann Migranten nicht mobilisieren

Viel wurde im Vorfeld vom vermeintlich engen Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis 75 (Berlin-Mitte) geredet. Der Grüne Özcan Mutlu wollte mit rastlosem Wahlkampf nach amerikanischem Vorbild zum Erfolg rennen. Stattdessen gab es für ihn eine bittere Niederlage, er verlor klar gegen (die im Sprengelkiez wohnende) Eva Högl von der SPD und wurde selbst vom CDU-Kandidaten Philipp Lengsfeld geschlagen. Hat wenigstens der stark migrantisch geprägte Wedding dem Deutsch-Türken Mutlu mehr Stimmen gegeben als der Rest des Bezirks? Die Antwort: ein klares Nein. Mutlu erhielt im Wedding sogar nur 16,7 Prozent der Stimmen (ganz Mitte: 18,4). Eva Högls „Wedding-Bonus“ lag derweil, wenn es ihn überhaupt gibt, bei gut zwei Prozent (30,3 / 28,2), und Lengsfeld (22,1 / 23,9) sowie Klaus Lederer von der Linken (14,6 / 16,7) erzielten im Wedding sehr ähnliche Ergebnisse wie im gesamten Bezirk Mitte. Die Migranten zu mobilisieren, ist Mutlu im Wedding offenbar überhaupt nicht gelungen.

SPD und Linke hätten übrigens mit zusammen 52 von 100 Sitzen die absolute Mehrheit der Sitze in einem fiktiven Weddinger Parlament (anders als Rot-Grün, das diese mit 50 knapp verpasst). Aus dem einst Roten Wedding ist also vorerst ein Rot-Roter Wedding geworden, wobei natürlich auch klar ist, dass diese Farbe in der deutschen Politik in den letzten 80 Jahren dann doch so manchen Verlauf genommen hat...

Die Zweitstimmen-Ergebnisse 2013 in Wedding / Gesundbrunnen (inkl. Briefwahl):

SPD 28,0 %

CDU 21,2 %

Die Linke 17,0 %

Grüne 15,2 %

Piraten 5,3 %

AfD 3,9 %

FDP 2,5 %

Sonstige 6,9 %

Fiktives „Weddinger Parlament“ (100 Sitze, auf Basis der Zweitstimmen):

SPD 32 Sitze

CDU 24 Sitze

Die Linke 20 Sitze

Grüne 18 Sitze

Piraten 6 Sitze

Quelle für alle Berechnungen: Die Landeswahlleiterin für Berlin (vorläufiges Ergebnis).

Ergebnisse einzelner Wahllokale finden sich hier.

Dieser Artikel erscheint auf dem Wedding Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Dem Autor auf Twitter folgen: @johehr

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