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Berlin: Wie könnte man hier falsch bestellen?

Windscheidstraße 31,Charlottenburg, Tel.3238730, nurAbendessen, sonntags geschlossen.

Windscheidstraße 31,Charlottenburg, Tel.3238730, nurAbendessen, sonntags geschlossen. Alle Kreditkarten.Bernd Matthies

Man muss sich gelegentlich vergewissern, was die besten Berliner Restaurants der 80er Jahre so machen - der Generations- und Ortswechsel der Berliner Gastronomie ist bekanntlich so dramatisch, dass sogar der größte Teil Charlottenburgs allmählich in die kulinarische Randlage gerät; Feinschmecker-Restaurants in den Außenbezirken sind so selten geworden wie Weihnachtsbäume im Sommer, an die Gründung neuer denkt dort draußen niemand mehr. Nach Mitte!

Also ist dies eine antizyklische Kritik. Denn das "Alt Luxemburg" liegt nicht nur im bürgerlichen Charlottenburg abseits der Zentren, sondern es ist praktisch ein Traditionsbetrieb - nur Siegfried Rockendorf droben in Waidmannslust (darüber mehr in 14 Tagen) ist ähnlich lange im besternten Küchendienst wie Karl Wannemacher, der garantiert zu den unbekanntesten Spitzenköchen des Landes gehört. Wenn er sich "Küchenmeister" nennt - und er tut es auf jeder Rechnung -, ist das keine exaltierte Selbstdarstellung, sondern das ausdrückliche Beharren darauf, dass Kochen ein Handwerksberuf ist und kein Geniekult. Nur gut, eben meisterlich, muss es sein.

So jemand kommt garantiert nie ins Fernsehen, legt sich aber mit einiger Sicherheit eine zufriedene Stammkundschaft zu, der die permanente Anwesenheit des Chefs wichtiger ist als moderne Lichtskulpturen und gewagte Würzkombinationen, und die die Qualität einer Küche nicht daran misst, ob der Chef auch den hochmodischen Milchschaum über alle Teller kleckert. Man könnte, was im "Alt Luxemburg" passiert, deshalb ebenso wie die Einrichtung als "gutbürgerlich" bezeichnen, wäre der Begriff nicht nach wie vor ein Synonym für vorgestrigen Pfusch. Den gibt es hier nicht: Wer nicht ausdrücklich auf kulinarischen Experimenten und kreativen Ausbrüchen besteht, wird mit großer Sicherheit zufrieden von dannen gehen. Dabei war Wannemacher einer der ersten, die mit fernöstlichen Gewürzen experimentiert haben; er hat aber keinen Stil draus gemacht, sondern einen Farbtupfer: seine schon fast klassische Honig-Entenbrust mit asiatischen Nudeln steht praktisch immer auf der Karte. Wer sie bestellt, liegt richtig.

Aber wie könnte man hier falsch bestellen? Die Meerrettich-Terrine mit Räucheraal, subtil geschärft und doch nicht laut, passte unerwartet sogar zum Wein, das Kalbsbries mit Rucola und Parmesan traf den Punkt, den die Szenekneipen mit ihren rituellen Salaten immer so weit verfehlen, die Dorade mit Bärlauchspaghetti und Rotweinsauce war durchzogen von einer sanften Meeresbrise, der Seeteufel mit Tomaten und sanfter Safransauce ebenso. Schließlich aus der bürgerlichen Ecke noch Rehrücken, sanft gebraten, mit Spitzkohl und (etwas zu kleinfisseligen) Spätzle sowie genauestens austarierter Holundersauce. Paukenschlag zum Dessert: Perfektes Limettensouffle mit Passionsfruchteis. (Vier Gänge 120, fünf 135 Mark, Hauptgänge a la carte um 50 Mark).

Aufgetragen wird das alles von einem geräuschlosen Service unter den Augen der Chefin, und zwar in diesem geheimnisvollen Rhythmus: Immer, wenn gerade der angenehme Gedanke an den nächsten Gang aufkommt, steht der Teller auch schon auf dem Tisch. Sehr viele gute Weine vor allem aus Deutschland bescheren die wohlige Qual der Wahl, daneben verdienen vor allen die Burgunder große Beachtung. Für den Fall sommerlicher Hitzewellen scheint mir besonders die Klimaanlage beachtenswert. Bis zum 28.August serviert Wannemacher ein auf diese löbliche Einrichtung abgestimmtes Vier-Gang-Menü für 97 Mark: Meeresfrüchte im Olivenöl-Safransud, andalusische Gemüsesuppe, Saibling mit asiatischen Nudeln oder Perlhuhn mit Trüffelsauce, schließlich Marillenknödel mit Vanilleeis. Ein weiterer Grund, mal wieder in die kulinarische Randlage zu schauen.

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