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WIE STEHT ES UM BERLIN ALS INTERNATIONALE METROPOLE?: Toleranz ist nicht genug

Der Karneval der Kulturen und zunehmende soziale Probleme stehen für zwei Seiten der Integration

So macht das internationale Berlin Spaß.

Wenn beim Karneval der Kulturen – wie auch vergangenes Wochenende wieder – HipHop aus Neukölln auf Soca aus der Karibik trifft, wenn Bolivianer und Italiener, Angolaner und Deutsche friedlich und fröhlich zusammen feiern, dann ist das ein Aushängeschild für Berlin als internationale Metropole. Und es setzt „den gesellschaftlichen Mehrwert, den Einwanderung bringt, attraktiv in Szene“, wie Günter Piening, der Integrationsbeauftragte des Senats es formuliert. 4500 Tänzer und Sänger und sonstige Mitwirkende aus mehr als 70 Nationen zählten die Veranstalter auch dieses Jahr wieder – ein repräsentativer Querschnitt durch die vielfältige Bevölkerung einer Stadt, in der jeder achte eine ausländische Staatsangehörigkeit hat und sogar etwa jeder fünfte aus ausländischen Familien stammt. Solche Veranstaltungen sind ein Aushängeschild und ein Symbol für das größtenteils harmonische alltägliche Zusammenleben von mehr als einer halben Million Berliner mit Migrationshintergrund und knapp drei Millionen mit deutschen Vorfahren.



So macht das internationale Berlin Probleme.
Zuwanderung und Integration sind keine Automatismen. Gerade in ärmeren Stadtvierteln mit hohem sozialen Konfliktpotenzial wird das Zusammenleben von Berlinern unterschiedlicher Herkunft oft mehr als Problem denn als Chance wahrgenommen. Das hat viel mit Problemen zu tun, deren Ursachen vor allem eine jahrzehntelang unentschiedene Integrationspolitik und die Deindustralisierung der letzten Jahre sind. Die Folgen spürt Berlin besonders deutlich. Zum Beispiel die wachsende Kluft zwischen den Bildungsabschlüssen von Kindern mit Migrationshintergrund und ihren deutschen Altersgenossen. Oder eine mehr als doppelt so hohe Arbeitslosenquote unter den Ausländern gegenüber der gesamten Wohnbevölkerung sowie eine damit einhergehende wachsende Verarmung eines Teils der Migranten. Auch Abschottungstendenzen in Teilen der Migrantengemeinschaften gehören dazu. Besonders trifft das Berliner mit türkischen und arabischen Wurzeln. „Türken und Araber kommen aus anderen Kulturen, und deshalb gibt es ganz andere Brüche als bei Italienern oder Griechen, die als EU-Bürger privilegiert sind“, erklärt Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS) die Unterschiede. „Das fängt mit Glaubensfragen an und hört bei den Vorstellungen von der Lebensweise nicht auf. Außerdem haben gerade die türkischen Einwanderer am meisten unter den Wendefolgen in West-Berlin gelitten: Durch die Vernichtung der Industriearbeitsplätze hatten viele sehr lange hier lebenden Türken keine Perspektive mehr.“



So hat das internationale Berlin Zukunft.
„Die Gestaltung von Zuwanderung und Integration ist eines der großen Zukunftsthemen der Stadt.“ Das hat der Senat in seinem Integrationsbericht festgestellt. Was das heißt? Vor allem, dass Berlin im Rahmen seiner gegenüber Bund und EU begrenzten Möglichkeiten versucht, Migranten gleiche Chancen zu bieten und von ihnen im Gegenzug eine entsprechende Integrationsleistung fordert. Das beginnt bei gleichen Chancen auf Arbeitsplätze, Ausbildung und Bildung, geht über die rechtliche und politische Integration bis hin zur Förderung der deutschen Sprache. „Toleranz im Umgang mit Unterschieden ist wichtig und ein hohes Gut, aber Toleranz allein genügt nicht", hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Ziel vorgegeben. „Es kommt auf die aktive Einbeziehung der Migranten in allen Bereichen an – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Und das ist eine große Aufgabe, der wir uns zu stellen haben.“ Seit einigen Jahren versucht die Landesregierung, was der Integrationsbeauftragte als „pragmatisches Improvisieren“ beschrieben hat, durch eine strukturierte Integrationspolitik zu ersetzen. Schnelle Erfolge sind kaum zu erwarten, wie Integrationssenatorin Knake-Werner weiß: „Das braucht einen sehr langen Atem.“ Die größten Chancen sieht sie in der Wirtschaft: „Die Unternehmen, die sich hier ansiedeln, arbeiten international. Da haben qualifizierte Migranten gute Chancen. Außerdem haben wir gerade in Berlin eine ethnische Wirtschaft, die sich sehr gut entwickelt. Es gibt sehr viele Unternehmen, die von Migranten gegründet und geführt werden.“ Dazu kämen alle Dienstleistungen rund um das Älterwerden, die „Interkulturalität und Vielfalt, verschiedene Sprachen und kulturelle Hintergründe“ benötigten. „Auch in den Schulen, bei der Feuerwehr und generell im öffentlichen Dienst bräuchten wir viel mehr Menschen mit Migrationshintergrund.“

Das soll eine der Forderungen sein, die der Senat in den nationalen Integrationsplan einbringen will, der im Juli vorgestellt wird. Am 22. Juni soll zudem ein Berliner Integrationsgipfel stattfinden, bei dem der Regierende Bürgermeister, die Senatoren und Migrantenvertreter über die Integration diskutieren wollen. lvt

Berlins Integrationskonzept im Internet: www.berlin.de/imperia/md/content/lb-integration-migration/publikationen/berichte/integrationskonzept.pdf

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