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Berlin: Wie unromantisch

VON TAG ZU TAG Stephan Wiehler über die neuen Gefahren der BerlinNostalgie „Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin“ – früher wehte uns bei dieser Liedzeile das Heimweh nach dem Kurfürstendamm an, sehnsüchtig sahen wir uns dabei in die Augen und träumten von der Wiedervereinigung. Heute kriegen wir es mit der Angst zu tun und fragen sofort besorgt zurück: „Einen Koffer, um Himmels willen, wo denn?

VON TAG ZU TAG

Stephan Wiehler über die

neuen Gefahren der BerlinNostalgie

„Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin“ – früher wehte uns bei dieser Liedzeile das Heimweh nach dem Kurfürstendamm an, sehnsüchtig sahen wir uns dabei in die Augen und träumten von der Wiedervereinigung. Heute kriegen wir es mit der Angst zu tun und fragen sofort besorgt zurück: „Einen Koffer, um Himmels willen, wo denn? Etwa vergessen am Flughafen oder auf dem Bahnsteig?“

„Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin“, erklärte vermutlich auch der Reisende, der eine Freundin am Donnerstag aus dem Zug anrief, kurz nachdem er vom Bahnhof Zoo abgefahren war. Wie romantisch, mag sie gedacht haben. „Junge, komm bald wieder“, hat sie ihm vielleicht noch entgegnet, bevor er sie ungeduldig darüber aufklärte, dass er seinen Koffer vor lauter Reisefieber auf dem Bahnhof stehen gelassen hatte.

Zur selben Zeit waren bereits die Bombenentschärfer von der Polizei unterwegs zum herrenlosen Gepäckstück. Die Berliner Polizei nämlich hat keinen Sinn für Koffer-Romantik. Schon gar nicht am Bahnhof Zoo oder am Flughafen, wo sich die Bombenalarme häufen. Die Sprengstoffexperten wollten den Koffer gerade unschädlich machen, als sich das Missverständnis aufklärte. Zumindest dieser Koffer blieb heil. Doch das schöne Berlin-Lied hat seinen Knacks weg.

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