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Berlin: Wieder mehr Feinstaub – Abhilfe ist nicht in Sicht

Grenzwert an der Silbersteinstraße bereits 51 Mal überschritten. Senat prüft jetzt Einbau von Filtern in Abgaskaminen des Tiergartentunnels

Die Luft an den Straßen wird wieder dreckiger. Nachdem die Werte im Sommer zum Teil deutlich unter den Grenzwerten lagen, sind sie jetzt wieder gestiegen. An der Silbersteinstraße in Neukölln ist der Grenzwert für Feinstaub nach der Statistik des Umweltbundesamts in diesem Jahr inzwischen 51 Mal überschritten worden; zulässig wären nach EU-Recht lediglich 35 Tage. Auch an der Frankfurter Allee in Friedrichshain gab es demnach bereits an 49 Tagen zu viel Feinstaub. Bundesweiter Spitzenreiter sind Leipzig-Mitte mit 83 und die Landshuter Allee in München mit 79 Tagen. Überall gibt es noch keine wirksame Gegenstrategie. Selbst der Einbau von Filtern in riesigen Abgaskaminen wie am Tiergartentunnel ist nicht selbstverständlich.

Auch an der Silbersteinstraße scheint das Durchfahrverbot für große Lastwagen nichts zu nutzen. Die Stadtentwicklungsverwaltung hatte es Ende April verhängt, als die Grenzwerte bereits an mehr als 40 Tagen überschritten waren. Dass danach die Werte nach unten gingen, lag nach Angaben von Experten vor allem am Wetter, denn ans Durchfahrverbot hielten sich nicht viele Fahrer. Bei einer Kontrolle Anfang September ertappte die Polizei innerhalb von drei Stunden 40 „Sünder“ – und war vom Ausmaß der Missachtung des Verbots überrascht.

Das Sperren einzelner Straßen ist ohnehin kein Allheilmittel. Auch darin sind sich die Experten einig. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hat das Verbot an der Silbersteinstraße nur ausgesprochen, weil Lastwagen im Durchgangsverkehr auf die parallele Stadtautobahn ausweichen können. Weitere Straßensperrungen lehnt Junge-Reyer jedenfalls ab, weil dadurch ihrer Ansicht nach der Verkehr nur auf umliegende Straßen verlagert werde.

Ein Luftreinhalte- und Aktionsplan soll erst 2008 greifen. Dann ist innerhalb des S-Bahn-Rings ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge vorgesehen, die nicht mindestens die Euro-II-Norm erfüllen. Ab 2010 müssen Dieselfahrzeuge Euro III erfüllen und einen Rußfilter haben.

Dies sei viel zu spät, kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er fordert, die Fahrbeschränkungen bereits von 2006 an einzuführen. Doch Bundesregierung und Bundesrat haben selbst so einfache Dinge wie eine Kennzeichnungspflicht der unterschiedlichen Schadstoffklassen für Autos und das Einführen eines neuen Verkehrsschildes für so genannte Umweltzonen, in denen das Fahrverbot dann gelten soll, nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht.

Klagen, die die Politiker zum Handeln zwingen sollten, hatten bisher keinen Erfolg. Auch das Berliner Verwaltungsgericht wies im Sommer einen Eilantrag von Anwohnern der Frankfurter Allee zurück, die Innenstadt vollständig für Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter zu sperren.

Zum größten Teil werde der Feinstaub ohnehin von außen in die Stadt geblasen, heißt es im Luftreinhalteplan. Ob Berlin demnächst verstärkt dazu beitragen wird, dass der hier erzeugte Dreck woanders niedergeht, wird sich bald zeigen. Die Abgase der Autos aus dem Tiergartentunnel, der wahrscheinlich Anfang 2006 eröffnet wird, strömen nach den bisherigen Plänen ungefiltert durch die beiden Abgaskamine. Pikanterweise prangt auf dem Kamin aus Glasbausteinen am Hauptbahnhof das Signet der Bahn AG, den Kamin auf dem DaimlerChrysler-Gebäude schmückt ein grüner Würfel. Erst nach einer Intervention des Verkehrsausschusses prüft die Stadtentwicklungsverwaltung jetzt, ob ein nachträglicher Filter-Einbau in den Abgaskaminen möglich ist.

Und die EU überlegt bereits, die strengen Vorgaben zu lockern, damit sie dann leichter eingehalten werden können.

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