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Berlin: Wiener Hengstparade

Es gibt nichts Neues – jedenfalls nicht bei der Spanischen Hofreitschule, die im Dezember Berlin besucht.

Von Andreas Conrad

Im modernen Marketing ist so ein Satz pures Gift: „Wir bieten nichts Neues, weil es nichts Neues gibt.“ Aber einer, der beharrlich darauf pocht, das was er betreibe, sei „klassisch“, muss sich um solche Regelverletzung nicht scheren, kann vielmehr guten Gewissens nachsetzen: „Es wird auch nichts Neues geben.“ Ein Salto rückwärts? Unmöglich, kein Pferd macht das mit, nicht mal ein Lippizzaner der Spanischen Hofreitschule Wien. Aber Piaffe, Passage, Levade, Courbette, Capriole gar – jederzeit, seit Jahrhunderten die immer gleichen Figuren, mal mehr, mal weniger gelungen, das ist selbstverständlich, „eine 100-prozentige Vorführung gibt es nie“.

Johann Riegler, Oberbereiter der genannten Schule, ist keineswegs nur ein Talent auf dem Pferderücken, als das ihn sein in langen Jahren erarbeiteter Titel ausweist. Er vermag sein Produkt auch geschickt anzupreisen, und dazu gehört nun mal, vor allem eines zu betonen: Tradition, Tradition, Tradition. 430 Jahre klassische Reitkunst kulminieren in dem viertägigen Gastspiel, zu dem Johann Riegler und seine Kollegen im Dezember ins Velodrom einreiten. „Leider Gottes seitlich“, wie der Oberbereiter bei der Besichtigung der Arena gestern feststellen musste. Gegenüber der Ehrenloge einzureiten, sei einfach schöner.

Eine Gründungsurkunde für die Hofreitschule gibt es übrigens nicht. So müssen andere Schriftstücke, alte Holzrechnungen etwa, die auf den Bau einer Reithalle um 1572 schließen lassen, als Ersatzdokumente für die Gründung des Traditionsunternehmens herhalten. Das Jahr der Entscheidung, künftig nur noch weiße Lippizzaner zu züchten, ist dagegen zweifelsfrei verbürgt: 1851, eine Laune des damaligen Kaisers, der nicht mit der Sprunghaftigkeit der Gene rechnete. Ab und zu kommt dabei doch mal ein Brauner heraus, der aber als Maskottchen durchaus willkommen und bei Auftritten stets dabei ist. Nur in Berlin wahrscheinlich nicht, wie Riegler erzählt. 26 Jahre hat der letzte große Braune schon auf der Kruppe, da ist er nicht mehr ganz so sicher auf den Beinen.

Wie alle Dressurpferde der Hofreitschule ist es ein Hengst, und auch in der Hierarchie der Menschen – sie reicht vom Eleven über Bereiteranwärter und Bereiter bis zum Oberbereiter – haben Frauen in Rieglers Sicht nach wie vor nichts zu suchen. Das sei keine Sache der Qualität, versichert er, nennt rasch eine ganze Reihe von prima Dressurreiterinnen. Aber die Tradition! Zu der gehörten nun mal die Männer. Würde man bei den Wiener Sängerknaben Mädchen aufnehmen, wären es schließlich nicht länger die Sängerknaben, sondern ein Kinderchor. Manches Ungemach hat ihm dieses Bekenntnis zur Tradition schon eingebracht, zum Beispiel die jährlich verliehene „Mistgabel“ einer Reiterzeitschrift, die ihm den Satz zuschrieb: „Frauen können keine Hengste reiten.“

Auch Mutmaßungen, die Dressuren seien nicht artgerecht, wischt Riegler rasch weg: „Alles ist nur der Natur abgeschaut. Sehen Sie sich mal eine Herde Junghengste auf der Weide an. Da finden Sie schon alle Figuren, sogar die Courbette.“

Velodrom, 5. bis 7. Dezember, 20 Uhr, 8. Dezember 15 Uhr. Karten unter Tel. 01805-332 433, unter www.deag.de oder bei allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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