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Wiking-Ausstellung im Steglitz-Museum: Alles so schön rund hier

Eine Ausstellung bringt die legendären Wiking-Modelle zurück nach Lichterfelde-West – zum Gründungsort der Firma.

Der Brezelkäfer ist schon vorgefahren. Gleich vier Exemplare dieser bekanntesten Variante der Gattung VW Käfer parken in vorderster Reihe. Für den Steglitzer Werner Behnke ist das ein Anlass für eine Liebeserklärung. „Alles so schön rund“, schwärmt er. „Kühlerhaube, Kotflügel, Scheinwerfer. Und natürlich die ovale, in der Mitte geteilte Heckscheibe, die an eine Brezel erinnert.“ In den späten 60er Jahren fuhr der heute 63-jährige Studienrat diesen Typ. Es war sein erste Auto. Gebraucht gekauft, noch ohne Kraftstoffanzeige. Stattdessen legte er einen Hebel über dem Gaspedal um, wenn der Wagen ruckelte und den letzten Sprit schlürfte. So öffnete man den Reservetank.

Werner Behnke beugt sich über eine Glasvitrine und betrachtet den feuerroten Käfers, links außen in der Parkreihe. „Man möchte da wieder einsteigen“, sagt er. Doch dieser Wagen ist gerade mal so lang wie ein Streichholz. Maßstab 1:90. Er passt in etwa zur elektrischen HO-Eisenbahn, ist ein Sammlerobjekt, hergestellt vor knapp fünfzig Jahren im Steglitzer Ortsteil Lichterfelde-West. Dort befand sich bis Mitte der 80er Jahre Berlins größter Fahrzeughersteller, jedenfalls was die millionenfachen Stückzahlen betrifft. Es war zugleich eine der bekanntesten und in Sammlerkreisen beliebtesten Miniatur- Autofabriken Europas. Bis heute gehört die Fahrzeug- Flotte der Marke „Wiking“ zu den Klassikern unter den Modellautos. Jetzt sind die Wiking-Autos für eine Weile wieder nach Lichterfelde- West zurückgekehrt.

Das Museum Steglitz an der Drakestraße 64A zeigt eine Ausstellung über die „Wiking-Story“. Und Sammler aus ganz Deutschland pilgern hierher. Wer an den Vitrinen entlangbummelt, entdeckt Pkw, Lkw und Busse, die seit den Nachkriegsjahren durch Westdeutschland kurvten. Und erfährt, wie die Modellserien fortentwickelt wurden. Museumsleiterin Gabriele Schuster hat die Schau mithilfe einer Schar leidenschaftlicher Sammler und der Firma Wiking zusammengestellt. Wiking gehört seit 1984 dem früheren Konkurrenten Siku in Lüdenscheid, produziert heute weltweit an verschiedenen Standorten.

Die Wiking-Story begann schon 1936, aber mit Schiffen und Flugzeugen. Das hatte mit der Liebe des damals 33-jährigen Firmengründers Friedrich Karl Peltzer zur Marine und zur Luftfahrt zu tun. Peltzer und sein Modellbaumeister Alfred Kedzierski setzten auf Metallguss, gehörten aber schon Ende der 30er Jahre zu den Pionieren, die auch mit Kunststoff experimentierten. 1941 erwab das Unternehmen die gründerzeitliche Villa Unter den Eichen 101 in der Nähe des Botanischen Gartens, fortan Sitz und Produktionsort bis 1986.

Die Geschäfte liefen damals gut. In den Kriegsjahren brauchte das Militär Modelle zum strategischen Training. Wiking war eine Art Rüstungsbetrieb. Nach dem Krieg brach der Umsatz nur kurz ein. Bereits in den frühen 50ern setzte Friedrich Karl Peltzer auf Autos – mit Erfolg: die Wiking-Serien spiegelten nun das Wirtschaftswunder und die rasche Motorisierung der Westdeutschen wider.

Zumal die Modellbauer in Lichterfelde miniaturisierte Jungen- und Männerträume immer perfekter erfüllten: Die erste Revolution waren 1952/53 die sogenannten Rollachsen, zuvor gab es nur starre Drahtachsen. Jetzt konnte man den VW Käfer oder Opel Kapitän mit der schicken Heckflosse auch mal über den Tisch sausen lassen. Dann mussten sich die Kinder und Liebhaber noch mal sechs Jahre gedulden, bis die Fahrzeuge verglast wurden. Zuvor hatten ihre Modelle nur blinde, undurchsichtige Scheiben. Auch Traktoren oder Bagger verließen das Lichterfelder Werk, wo Friedrich Karl Peltzer bis zu seinem Tode 1981 tätig war. 1986 zog das Unternehmen zur Industriestraße in Tempelhof um, 2008 verließ es Berlin. Am einstigen Stammhaus erinnert heute eine Gedenktafel an den Wiking-Gründer, im Parterre ist Aldi eingezogen.

Jeder kennt die Großen Gelben der BVG. Aber wie sahen eigentlich deren Vorgänger in West-Berlin aus? Museumschefin Schuster weist auf eine Wandvitrine. Da parken die verschiedenen Generationen der BVG-Doppeldecker ordentlich nebeneinander. Ganz vorne steht der elfenbeinfarbene Büssing D2U, ein Markenzeichen der BVG und der Inselstadt in den 50er und 60er Jahren, von Wiking bis 1974 hergestellt. Anfangs hatte er eine offene hintere Plattform, von der man über eine Treppe zum Oberdeck hinaufstieg. Der Schaffner saß auf keinem festen Platz, musste hin- und herlaufen. Deshalb hießen die Busse auch „Trampelwagen“.

Jetzt nimmt Gabriele Schuster noch einen VW-Bulli auf die Hand. Ein Sondermodell des legendären VW T1 Kleinbusses, extra für die Steglitzer Ausstellung hergestellt und dort zu erwerben. Das war in den 50er und 60er Jahren der führende Kleintransporter. „Zumindest im Kleinen ist unser Museum schon motorisiert“, sagt sie. An den Seiten des Busses steht: „Heimatverein Steglitz“.

Die Schau ist bis Sonntag im Museum Steglitz, Drakestraße 64A, zu sehen. Mittwoch bis Freitag und Sonntag, 15–18 Uhr. Tel.: 83 32 109, www.steglitz-museum.de.

Ein Sammler über seine Wiking-Leidenschaft

Wiking-Sammler Jörn Hasselmann
Wiking-Sammler Jörn Hasselmann

© Thilo Rückeis

Die Märklinbahn aus Kindertagen war irgendwann weg, die Autos dazu blieben. 100 waren es etwa, nur Wikinger, was anderes gab es ja nicht. Viele waren zerspielt, einiges abgebrochen. In den 80ern wurden Berliner Flohmärkte abgegrast, die Sammlung wuchs langsam. Dann kam Ebay, plötzlich konnte man mit ein paar Klicks aus ganz Deutschland neue Modelle kaufen. Die Sammelleidenschaft nahm ungeahnte Ausmaße an. Wie viele Autos es heute sind? Schwer zu schätzen, sehr viele Raritäten sind dabei wie die einheitsgrauen Drahtachser, die 1948 zuerst nur in Berlin verkauft wurden: der Lastwagen mit Hänger, der Horch, der Jeep, der Käfer und der „Sportzweisitzer“. Für einen später Geborenen unvorstellbar, dass Menschen drei Jahre nach Kriegsende im zerbombten Berlin für Spielzeug Geld ausgegeben haben: 1,50 Reichsmark zum Beispiel für die „T3 Limousine“, den Horch. So steht es im ersten Prospekt. 1949, nach der Währungsreform also, waren es dann 50 Pfennig. Wiking ist rollende Geschichte, längst nicht nur Autogeschichte. Es waren Berliner Hausfrauen, die die Modelle in Heimarbeit zusammenklebten und bemalten. Die grauen Modelle haben bei mir einen Ehrenplatz in der Vitrine. Heute bringt ein solcher Horch knapp 100 Euro – selbst wenn die filigranen Stoßstangen abgebrochen sind. War ja schließlich Spielzeug früher. Bis zu 1000 Euro notiert der ,,Saure", der einschlägige Sammlerkatalog, für einen heilen Horch. 60 Jahre später hat meine Tochter schon als Baby eingetrichtert bekommen, dass Papas Autos KEIN Spielzeug sind. Jörn Hasselmann

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