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Berlin: Willi Sitte, Paul Michaelis und Walter Womacka zeigen, dass sie noch viel zu sagen haben

Nicht, dass der 50. Jahrestag der DDR so sang- und klanglos an den Werktätigen vorüber gezogen wäre.

Nicht, dass der 50. Jahrestag der DDR so sang- und klanglos an den Werktätigen vorüber gezogen wäre. Am Nachmittag des 7. Oktober versammeln sich in Lichtenberg an die 60 Mitbürger, bei einigen hat die DDR und deren "Anschluss", wie man das hier zu nennen pflegt, in Haut und Haaren Spuren hinterlassen. Die "Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V." stellt bis zum 20. Dezember ihre Räume in der Weitlingstraße 89 "drei großen deutschen Malern" zu Verfügung, die ihre Kunst als DDR-Künstler begründet haben, heißt es am Beginn der Vernissage, zu der der einstige Kulturbund-Chef Karl-Heinz Schulmeister warme Worte anerkennender Dankbarkeit für Walter Womacka, Willi Sitte und den erkrankten Paul Michaelis findet.

Die Herren können sicher sein, dass ihnen hier niemand Worte wie "Staatskünstler" und "Systemmaler" um die Ohren haut, im Gegenteil: "Ihre Botschaften wurden verstanden, sie halfen suchenden Menschen", sagt der Redner, lobt die realistische Malerei dieser maßgeblichen Repräsentanten der DDR-Kunst und stellt sie "in eine Reihe mit den bedeutendsten deutschen Künstlerpersönlichkeiten unseres Jahrhunderts". Im letzten Jahrzehnt wurde zwar versucht, am Renommee zu kratzen, umsonst: Malwut hat beide gepackt, Willi Sitte mit seinem dynamischen Realismus, den erotischen Litho-Liebesszenen und temperamentvoll aufgetragenen Fleischfetzen in Öl, Walter Womacka mit Rose, Pfirsich, Kirschen, Blumen und dem symbolischen Abschiedsschmerz vom starken, verblutenden Stier (mit Gorbatschow und Reagan im Hintergrund). Ja, die beiden malen sich den Frust von der Seele, sehr erfolgreich, fleissig und aktuell - Womacka wie Sitte haben spontan auf den Kosovo-Krieg reagiert. Bei vielen Bürgern herrscht eine tiefe Sehnsucht nach Realismus angesichts der alltäglichen abseitigen Kunstwirklichkeit, sagt der Redner und verrät, dass es im Westen Leute gibt, die sich von Walter Womacka porträtieren lassen wollen, weil sie da sicher sind, dass sie sich später wieder erkennen.

Walter Womacka, bis 1988 Direktor der Kunsthochschule Weißensee, geht es heute "nicht schlechter und nicht besser als früher", ein großes Stück Identität sei verloren gegangen, "dass sich bei uns etwas ändern musste, war klar, aber so eine Angliederung war keine Alternative". Womacka - nach wie vor im Stadtbild präsent, zum Beispiel durch den Brunnen auf dem Alexanderplatz - findet es schon ganz witzig, dass das Kabinett und Kanzlers Gäste im Staatsratsgebäude stets sein farbiges gläsernes Sozialismus-Panorama passieren müssen: "Erst wollten die das abreißen, nun steht es unter Denkmalschutz". Neuere Bilder des 74-Jährigen - Landschaften, Stillleben, Blüten und Blumen - vereint übrigens eine Ausstellung ab 12. November im Palais am Festungsgraben.

Willi Sitte, jahrelang Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR, ein Hallenser, der Italien liebt, hatte geschworen, nie wieder "in der DDR" auszustellen ("weil Leute wie Sie kommen und anschließend böse mit mir und meiner Arbeit umgehen") - die zehn Bilder in Lichtenberg seien "mehr intern", der Gesellschaft zuliebe, die eigentlichen Dinge passieren "im Westen", zum Beispiel in Bad Hersfeld, dort gehe man fair mit dem Meister um, und deshalb beginnt die große Sitte-Retrospektive zum 80. Geburtstag am 28. Februar 2001 in Nürnberg: "Das wird ein Fest".

Wo wären die beiden Maler am 50. Jahrestag einer noch existierenden DDR gewesen? Beim Staatsempfang? Auf der Tribüne? Bei der Nationalpreisvergabe? Walter Womacka sagt, er sei nie auf eine Tribüne gegangen, und Willi Sitte hätte bei seiner Tochter gefeiert: die hat nämlich Geburtstag, mit der Republik.

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