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Im Willy-Brandt-Haus wurde diskutiert.

© Susanne Romanowski

Willy-Brandt-Haus in Berlin: Studenten diskutieren um die Wette

Die besten Debattierclubs deutscher Hochschulen trafen sich am Sonntag im Willy-Brandt-Haus. Es ging um Deutschlands Verantwortung in Europa.

Sie stehen gestikulierend am Rednerpult, weisen Nachfragen ab und sprechen von Deutschlands Verantwortung in Europa. Nein, das ist keine Szene aus dem Bundestag, sondern aus dem Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Kreuzberg. Dort trafen sich am Sonntag die besten Debattierclubs deutscher Hochschulen zur „Zeit Debatte“ – für Mark Rackles, Berliner Staatssekretär für Bildung, ein wichtiger Beitrag zur Demokratie und gegen „vereinfachte Thesen bei schwierigen Themen“, wie die der Alternative für Deutschland. Finalisten aus Berlin, Tübingen, Marburg und Göttingen diskutierten die Frage, ob Deutschland in der EU die Rolle des Hegemon einnehmen sollte.

Der erste Redner stellt sich ans Pult, räuspert sich, schluckt. Ein paar Mal verhaspelt er sich, dann läuft es besser. Auf seine Notizen schaut er kaum. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass er das Thema und seine Position erst seit einer Viertelstunde kannte. So viel Zeit hatte er, um seine siebenminütige Rede vorzubereiten.

Halbfinalteilnehmer Deniz Lü vom Team „Klartext“ aus Halle an der Saale winkt ab. Ein breites Allgemeinwissen gehöre dazu: „15 Minuten sind schon genug, wenn man strukturiert an das Thema rangeht, das Problem analysiert und eine Strategie bestimmt.“ Aufgaben, die gerade für angehende Juristen wie Deniz Lü gemacht scheinen. Tatsächlich haben die Diskutanten aber unterschiedliche fachliche Hintergründe, von Physik bis Philosophie.

Es sind keine „vereinfachten Thesen“

„Man muss seinen Blick auf ein Thema überdenken. Manchmal war man zehn Jahre lang fest einer Meinung und muss die dann revidieren“, sagt Lü. Besonders wichtig sei es, die Argumente der Gegenseite ernstzunehmen. Die Regeln für diese Schaudebatte müssten auch in der großen Arena mehr Gehör finden, sagt Gregor Gysi (Linke). Er spricht das Grußwort und stellt gleich zu Beginn fest: „Es gibt keine Debatte im Bundestag – und auch nicht im Berliner Abgeordnetenhaus.“ Zu wenig Schlagabtausch, zu viel Blabla. Nun sollen also die Studenten mit gutem Beispiel vorangehen. Die Anspannung ist groß, schließlich ist die Jury unter anderem mit Gysi, der Journalistin Gabriele Krone-Schmalz und dem Schauspieler Ulrich Matthes prominent besetzt.

Deutschlands wirtschaftliche Stärke, grafische Beschreibungen aus Idomeni – jemand müsse Europa doch aus der Flüchtlingskrise führen, fordern die einen mit großen Gesten. Bei den einleitenden Sätzen zittert die Stimme noch, aber Anne Soufflé aus Marburg lässt sich von den Argumenten nicht überzeugen. Sie spricht vom Glaubwürdigkeitsverlust der EU, von Mitbestimmung und der Bedeutung eines Staatenbundes.

Es sind keine „vereinfachten Thesen“, die hier abgearbeitet werden. Als bester Redner wird am Ende Konrad Gütschow vom Siegerteam aus Tübingen geehrt. Während der insgesamt einstündigen Debatte hält die überlebensgroße Skulptur von Willy Brandt ihre Hand über die Diskutanten. Fast sieht es so aus, als wolle der frühere Bundeskanzler gerne selbst mitdiskutieren.

Susanne Romanowski

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