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© Uwe Steinert

Wilmersdorf: Der Kampf des letzten Kleingärtners

Die Kolonie Württemberg in Wilmersdorf wehrt sich vor dem Landgericht gegen das endgültige Aus.

Für die Kolonie geht es ums Ganze: Am heutigen Mittwoch entscheidet das Landgericht Berlin, ob der landeseigene Liegenschaftsfonds dem Kleingärtner Josef Moritz kündigen durfte. Er ist der letzte von 48 Pächtern aus der Kolonie Württemberg. Vor wenigen Tagen haben seine letzten Mitkämpfer aus Angst vor einer Schadenersatzklage aufgegeben.

Es geht um beim Gerichtstermin am Tegeler Weg um das endgültige Aus für die Oase mitten in Berlins City-West. Josef Moritz ist der allerletzte Kleingärtner, der seinen Schlüssel für eine seit 1994 angepachtete Parzelle hinter dem Olivaer Platz nicht abgeben will. Der neue Eigentümer, die Firma Capricornus, habe kein Geld, um zu bauen, so die Hauptargumentation des Laubenpiepers. Es fehle daher die gesetzliche Voraussetzung, um ihm zum 30. November 2009 zu kündigen. Auf der Gegenseite steht der Liegenschaftsfonds, der die Immobilieninteressen des Senats vertritt. Die gesamte Kaufsumme – 9,185 Millionen Euro laut Kaufvertrag aus dem Jahr 2007 – ist erst nach Räumung der gesamten Fläche fällig. Nur noch die Parzelle von Josef Moritz steht im Weg.

Bis vor wenigen Tagen war Josef Moritz nicht allein. Zwar haben dreißig der insgesamt 48 Kleingärtner schon im November 2008 beim ersten Kündigungstermin gegen eine Abfindung von 3000 Euro klein beigegeben. Aber 18 kämpften weiter. Sie fühlten sich gestärkt durch den juristischen Sieg, den drei von ihnen im Herbst 2008 erzielten. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte damals die Kündigung von drei Parzellen als unwirksam verworfen. In der Berufung entschied das Landgericht im vergangenen Oktober allerdings gegen die drei Kleingärtner. Sie mussten ihren Schlüssel abgeben.

Ihre Niederlage hätte eigentlich keinen Einfluss auf die 15 übrigen Pächter haben sollen. Denn für sie galt die Kündigung erst zum 30. November 2009. Den Gerichtstermin von heute wollten sie ursprünglich gemeinsam wahrnehmen. Aber seit dem Oktoberurteil seien die Drohungen des Liegenschaftsfonds mit einer Schadenersatzklage in Millionenhöhe viel intensiver geworden, berichtet der Vereinsvorsitzende Paul Lichtenthäler: „Dem aufgebauten psychischen Druck waren gerade die jungen Familien und die Alten nicht mehr gewachsen“. Michael Plassmann, Sprecher der Bürgerinitiative „Gärten retten!“, kritisiert „den Versuch des Liegenschaftsfonds, den Gerichtstermin zum Platzen zu bringen“.

Fast hätte es geklappt, denn 14 der letzten Kleingärtner haben seit Oktober der Kündigung zugestimmt. Aber einer wird da sein: Josef Moritz, von Beruf Rechtsanwalt. Die Drohung mit der Schadenersatzklage, die der Liegenschaftsfonds ihm am 28. Oktober schickte, sei „nicht relevant“, sagt er. „Es ist nur Stimmungsmache, um uns wegzujagen.“ Im Schreiben steht, dass die verzögerte Räumung einen „Zinsschaden in Höhe von 1.258,20 Euro am Tag“ entstehen lasse. Der Kleingärtner habe seine Parzelle innerhalb fünf Werktagen zu räumen.

Moritz ist zuversichtlich. Er habe neue Argumente, die im Berufungsprozess nicht bekannt waren. Deswegen hätten die drei Pächter verloren. Er bezweifelt beispielsweise, dass die mitbeteiligte US-Bank Morgan Stanley seit der Finanzkrise immer noch als Geldgeberin für den Bau fungieren könne. Die Belege des Liegenschaftsfonds darüber seien nicht mehr aktuell. Moritz will beweisen, dass es sich nicht um Eigenkapital des Investors handele, wie im Kaufvertrag vorgeschrieben, sondern um Fremdkapital. Capricornus habe bisher lediglich 115 000 Euro angezahlt – „und noch etwas mehr für die Entschädigung der Kleingärtner“, sagt der Beklagte. Zwar habe sich Capricornus im Kaufvertrag eine Grundschuld in Höhe von 100 Millionen vormerken lassen, um sich das Geld für den Bau zu beschaffen. Aber für eine Kreditvergabe fordern Banken heute mindestens 25 Prozent Eigenkapital. Genau darüber hätte Moritz gerne Belege vom Investor – ansonsten will er auf seiner Parzelle bleiben.

„Eine gärtnerische Zwischennutzung“ der Kolonie Württemberg bis der „Baubeginn unmittelbar bevorsteht“, beschloss die Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf. Solange kein „ernst zu nehmender Bauträger“ gefunden sei, sollten die Flächen durch Bürger nutzbar sein. Genau diesen Vorschlag machten die Kleingärtner dem Liegenschaftsfonds – bisher ohne Erfolg. Dieser bestätigte, er würde „natürlich Schadenersatz gegen diejenigen erheben, die den Weg für eine Bebauung sperren“.

Geneviève Hesse

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