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Alle lächeln, einer fehlt: Die Puhdys ohne Dieter Birr, aber mit Zuversicht. 50 Jahre Bandbestehen heißt das neue Ziel.

© Britta Pedersen

Winteralbum der Puhdys: Älter als ein Baum

Das ostdeutsche Äquivalent zu den Rolling Stones: Die Puhdys sind wieder, nein, immer noch da – mit alten Sprüchen, neuen Liedern und einem klaren Ziel.

An der Aufgabe, den Schaffensstatus der Puhdys mit einer Jahreszeit zu versinnbildlichen, kann man durchaus verzweifeln. Karriereherbst? Zweiter, ach, zwanzigster, dreißigster Frühling? Oder: Ewige Sommerfrische? Fakt ist: Die Puhdys haben ein Winteralbum aufgenommen. Das macht es etwas einfacher, danke. Reden wir also über den Winter, das Alter, letzte Kapitel, nahendes Ende. Reden wir über die Puhdys im 44. Jahr ihres Bestehens. Routiniert aufgereiht sitzen sie in der Kongresshalle am Alexanderplatz, logisch: Weltuhr, Ostland, Heimspiel. Die neue Platte heißt „Heilige Nächte“ und erscheint am Freitag, 16 Lieder, sechs im Remix, besinnliche, ruhige, dezembrige, letztlich belanglose Stücke. Es geht vor allem um die Band, um die Frage: Wie lange noch? Manager Rolf Henning sagt: „Es wird irgendwann ein biologisches Ende geben, sie wollen auf der Bühne sterben.“ Schlagzeuger Klaus Scharfschwerdt sagt: „Wir werden im Februar eine Band sein, in der keiner mehr unter 60 ist.“ Henning sagt: „Wir müssen planen und uns fragen: Was schaffen wir noch?“ Scharfschwerdt sagt: „Wir sind gesund, der Rest ist wurscht.“

Es gibt zwei Möglichkeiten, das Alter der Puhdys begreifbar zu machen. Einerseits über die allseits einzusehende Zahlenarithmetik. Gegründet 1969, über 20 Millionen verkaufte Tonträger, sehr bald 5000 Konzerte. Die zweite Variante wäre ein Blick in die Gesichter: Mehr Falten als ein japanisches Origami. Die Puhdys sind das beste Argument gegen die Rente mit 67, sie haben allen Moden getrotzt, vor allem den musikalischen. Unprätentiös zeit ihrer Karriere blieben sie, ostig, normal. All die anderen von anno dazumal, Metropol, Regenbogen, Fritzens Dampferband, sind längst aufgelöst, abgewirtschaftet oder beides, oft Ersteres wegen Letzterem. Nicht so die Puhdys: Vor kurzem sogar ein Partyhit, die Eisbärenhymne mit Jürgen Drews, und Gold für das Best-of. Fix vergessen sind da die Auflösungsgedanken, die Peter Meyer, Keyboarder, Senior unter Senioren, im November 2012 äußerte.

Die neue Platte werden die Puhdys nur im Osten präsentieren. „In den alten Bundesländern kommen nicht mal 1000 Besucher zu den Puhdys, das rentiert sich nicht“, resümiert Manager Henning. Der Aufbau West, er ist gescheitert, die Tour Ost, sie läuft weiter, Platte für Platte, Jahr für Jahr. Auch mit Weihnachts-, mit Tannenbaumsoundtrack. Warum eigentlich das Thema? „Die Firma hat gesagt, wenn wir eine Wintertour machen, dann brauchen wir dazu eine CD.“ Bei den Puhdys richtet sich die musikalische Produktion am Reiseplan aus – auch das ist orginär. 50 Jahre Bandbestehen wolle man jetzt auch noch schaffen, sagt das Quartett unisono. Ein halbes Jahrhundert also. So alt wird nicht mal jeder Baum.

Gegen Ende steigen die Puhdys auf die Bühne, um zwei neue Songs zu spielen. Vier Betagte, drei Vokuhilas, zumindest im Ansatz, nur Dieter „Maschine“ Birr fehlt heute, Diarrhö. Die Fotografen drängeln sich heran und fordern besseres Licht: „Bitte kein Rotlicht! Echt mal, bitte kein Rotlicht.“ Und die Puhdys, Quaster Hertrampf, Meyer mit Querflöte, Scharfschwerdt schon hinter dem Schlagzeug, am Bass Peter Bimbo Rasym, sie nicken. Für Rotlicht sind sie wirklich zu alt.

Moritz Herrmann

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