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Berlin: Wintereinbruch: Nur die Hertha-Fans finden die Spielabsage peinlich

Berliner können mit Schnee nicht umgehen. Kaum legt sich ein bisschen Weiß auf die Stadt, bremsen die Autofahrer mit Hilfe der Stoßstange vom Vordermann.

Berliner können mit Schnee nicht umgehen. Kaum legt sich ein bisschen Weiß auf die Stadt, bremsen die Autofahrer mit Hilfe der Stoßstange vom Vordermann. Verstecken sich die Flugzeuge in Tegel im Hangar. Versuchen die Kinder, völlig ebene Flächen runterzurodeln. Und die Fußballer von Hertha BSC sagen am Samstag als einziger Bundesligaverein ihr Spiel ab. Man könnte ja ausrutschen.

Nun, die Absage hatte ihre Vorteile. Hertha-Trainer Jürgen Röber rief am Montag seinen Verein via Bild-Zeitung zum "Gewinner des Wochenendes" aus - "ohne, dass wir gespielt haben." Denn die Konkurrenten Bayern, Dortmund, Leverkusen und Schalke vergaben samt und sonders Punkte beim Hickhack im Morast. Kommt dazu, dass mit Unterhaching ein äußerst unbequemer Gegner auf dem Platz gestanden hätte. Die 2:5-Niederlage aus dem Hinspiel vom September ist noch nicht vergessen. Und all die verletzten und halbgesunden Herthaner - Alves, Beinlich, Michalke, Deisler, Veit - waren sicher auch nicht unglücklich über die unverhofften Winterferien.

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Lauter Erfreuliches also. Nur die paar Zehntausend Fans fanden es nicht alle so klasse. Auf der Fan-Homepage des BSC machen sie ihrem Ärger unmissverständlich Luft: "Drei Gramm Schnee und wir sagen ein Spiel ab!" mokiert sich da einer. Ein andrer findet es "oberpeinlich, vor allem gegenüber den süddeutschen Vereinen, wo es ja im Winter bekanntlich häufiger schneit." Und weil die Hertha, anders etwa als der 1. FC Union vor dem Pokalhalbfinale gegen Mönchengladbach, ihre Fans nicht zum Schneeschippen bat, meint ein Anhänger beleidigt: "Deutlicher könnte unser Club nicht zeigen, dass wir als Fans gar nicht so wichtig sind."

Von einer strategischen Absage will allerdings Hertha-Trainer Jürgen Röber nichts wissen: "Eine Frechheit, sowas zu unterstellen!" gibt er sich pikiert. Er sei "grundsätzlich gegen Spielabsagen", aber die Hertha habe eben "mit einem baufälligen Stadion zu kämpfen". Hertha-Pressesprecher Hans-Georg Felder kann zwar "ganz entfernt gelten lassen", dass durch die Pause "ein paar Spieler mehr Zeit zum Regenerieren haben". Doch dies sei zufällige Folge, nicht Grund der Absage. Felder gibt auch zu bedenken, dass der Verein nun eine englische Woche mit drei Spieltagen zu bewältigen habe. Das Spiel gegen Unterhaching wird nämlich am Mittwoch, den 7. März nachgeholt. Am Samstag davor gehts auswärts gegen Köln, am Samstag drauf daheim gegen Rostock.

Die Entscheidung, das Spiel abzusagen, hatte die Platzkommission am Freitag nach einer Begehung "in seltener Einstimmigkeit" gefällt, wie Lutz Imhof von der Stadionverwaltung sagt. Zur Kommission gehörten Vertreter des DFB, der Hertha und des Olympiastadions. Den Schnee auf dem Platz hätte die Rasenheizung wegschmelzen können, aber wegen der prognostizierten Minustemperaturen befürchtete man eine Vereisung des Platzes. Beim Schnee auf den Sitzen wäre es noch schwieriger geworden, glaubt Imhof, "weil aufgrund der Umbauarbeiten das halbe Dach fehlt und bis zur 40. Reihe hoch alles völlig eingeschneit war". Ein weiteres Problem waren die vereisten Zufahrtsstraßen und Parkplätze, deren Räumung den Berliner Stadtreinigungsbetrieben obliegt. Doch dort will man die Schuld nicht mittragen helfen: "Laut Straßenreinigungsgesetz sind bei den Nebenstraßen um das Olympiastadion keine Streumaßnahmen vorgesehen", so die papierene Verlautbarung des BSR-Pressesprechers.

Wie auch immer. Einigen Hertha-Fans gab der Spielausfall auch Gelegenheit zur Pflege alter Feindbilder. Anstelle des Wettergottes findet sich auf der Fan-Homepage nun ein viel besserer Schuldiger. "Wenn Alves wegen Fußpilz nicht spielen kann, und Hertha es nicht schafft, das Olympiagelände zu räumen, dann kann es nur einen Schuldigen geben! Und zwar Schalke 04!"

Guido Egli

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