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Der Unfall als Umfall: Einige Räumfahrzeuge sind mit ganz ordentlichem Tempo auf Berlins Straßen und Gehwegen unterwegs. Hier hat es ein Exemplar in der Leberstraße erwischt.

© Michael Körner

Update

Wintereinbruch: Viele Flügen gestrichen, glatte Straßen und Gehwege

Viele Flüge von und nach Berlin sind gestrichen. Und jetzt wird auch noch die Enteisungsflüssigkeit knapp. Auch sonst läuft im Berliner Winterdienst nicht alles rund.

Der Flugverkehr wird auch in Berlin vom erneuten Wintereinbruch beeinträchtigt. Am Berliner Flughafen Tegel sind am Donnerstag zahlreiche Flüge gestrichen worden. Weitere Probleme sind zu erwarten. Nach Auskunft der Fluggesellschaft Air Berlin können derzeit nur drei Flüge in der Stunde in Tegel landen. Auch in Schönefeld wurden einige Flüge gestrichen. Denn die Enteisungsflüssigkeit wird knapp.

Wie Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber Tagesspiegel.de sagte, gebe es sowohl in Tegel als auch in Schönefeld "nur noch für wenige Flugzeuge Enteisungsflüssigkeit". Eine Globe-Ground-Sprecherin räumte ein, dass die Lager nicht gefüllt seien. "Wir haben Anlieferungsprobleme", sagte sie. Ein Zulieferer habe sowohl Schwierigkeiten mit der Produktion als auch mit der Logistik. Die Knappheit von Enteisungsflüssigkeit sieht Lufthansa-Sprecher Weber in diesem Winter als "gesamteuropäisches Problem." Erst vor wenigen Tagen war die Flüssigkeit in Frankfurt ausgegangen.

Bei Air Berlin hat man dafür weniger Verständnis: "Uns steht seit gestern Abend keine Enteisungsflüssigkeit zur Verfügung", kritisierte eine Sprecherin. Die Ursache für die Verspätungen liege in der Kombination aus schwierigen Witterungsverhältnissen und Knappheit an Enteisungsflüssigkeit. Hinzu komme, dass es am Donnerstagmorgen technische Probleme mit den Enteisungsfahrzeugen von Globe Ground gegeben habe.

Dies wies Globe Ground zurück: Zwar habe es am frühen Morgen eine 45-minütige Verspätung gegeben, diese sei allerdings deshalb aufgetreten, weil der zuständige Fahrer für eine 20.000 Liter-Notlieferung an Enteisungsflüssigkeit schlicht einen falschen Schlauch dabei gehabt habe, sagte die Globe-Ground-Sprecherin. Statt um 6 Uhr konnte der Tank erst um 6:45 Uhr aufgefüllt werden. Die für den Donnerstagsbetrieb unbedingt erforderliche 10-Uhr-Lieferung mit Enteisungsflüssigkeit sei auf beiden Berliner Flughäfen eingetroffen, versicherte Globe Ground.

Tegel und Schönefeld: Unterschiedliche Probleme

Warum die Unterschiede in derselben Stadt? Leif Erichsen, Sprecher der Berliner Flughäfen, führt die starken Beeinträchtigungen in Tegel darauf zurück, dass der Flughafen ohnehin "an der Kapazitätsgrenze" arbeite und er viele so genannte Netzwerk-Carrier, also Fluggesellschaften mit komplexen Flugrouten, im Programm habe: Die Schließung des Pariser Flughafens sowie die Beeinträchtigungen des "Luftverkehrs insgesamt in Europa" hätten deshalb größere Auswirkungen auf Tegel als auf den Flughafen Schönefeld. Denn dort werde meist lediglich zwischen zwei Flughäfen hin und hergeflogen, vor allem von so genannten Low-Cost-Carriern, wie Erichsen die Billigflieger im Fachjargon nennt.

Tagesspiegel.de-Leser hatten am Morgen telefonisch mitgeteilt, ihnen sei als Begründung am Flughafen gesagt worden, dass Mitarbeiter der Enteisung nicht zum Dienst erschienen seien. Dies wies die Sprecherin des zuständigen Unternehmens Globe Ground zurück. Man arbeite in drei Schichten mit allen verfügbaren Einsatzkräften.

Tückisch glatte Gehwege

Berliner mussten für den Weg zur Arbeit am Donnerstagmorgen mehr Zeit einplanen. Während die Hauptstraßen nach dem Schneefall vom Mittwoch weitgehend geräumt sind, liegt auf den Nebenstraßen noch viel Schnee. Die Autofahrer haben sich laut Polizeibericht vom Morgen erneut gut an die Wetterbedingungen angepasst. 78 Unfälle zwischen 0 und 9 Uhr seien eine "völlig normale" Bilanz, insgesamt habe sich im Straßenverkehr eine "winterliche Routine" eingestellt, wie ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen mitteilte. Ohnehin gab es in den letzten Tagen immer viel Lob von der Berliner Polizei. Die Polizei bittet Autofahrer, auch weiterhin um erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht. Denn der Winter bleibt in Berlin. Auch am Donnerstag soll es bis mittags schneien – und dann wieder am Freitagabend. Zehn bis zwanzig Zentimeter Neuschnee sind angesagt. Die Polizei erwartet weitere "starke Verkehrsbehinderungen."

Schneeschippen gehört für Berliner derzeit weiter zum Frühsport, und an vielen Ecken wurde am Donnerstagmorgen auch schon gefegt und geschippt. Doch viele Hausbesitzer haben entgegen den Vorschriften entweder noch keinen Winterdienst beauftragt, oder dessen Mitarbeiter sind noch nicht dazu gekommen zu räumen.

Da der Neuschnee auf Berlins Bürgersteigen am Mittwochnachmittag und Abend von Fußgängern bereits platt getreten wurde und daraufhin vereiste, dürfte es diesmal schwieriger werden, die Gehwege freizubekommen als beim ersten größeren Schneefall vergangene Woche. Die mit einem mechanischen Rollbesen ausgestatteten orangefarbenen Wägelchen des Winterdienstes erweisen sich dabei als nur bedingt hilfreich. Vielfach wird der Schnee nur noch platter gedrückt und geradezu poliert. Es entsteht eine spiegelglatte Fläche, die auch durch den hier und da aufgetragenen Splitt nur unwesentlich entschärft wird. Die für die Räumung der Gehsteige zuständige private Ruwe GmbH war bis Donnerstagmittag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Größere Probleme am Frankfurter Flughafen

Da der Süden Deutschlands erneut stärker vom Winterchaos betroffen ist, sind die Probleme auf den Flughäfen dort auch größer. Zum Beispiel in Frankfurt am Main, dem internationalen Flugdrehkreuz, das auch für Berliner Fluggäste für unzählige Anschlussflüge wichtig ist. „Am Donnerstag müssen 85 Flüge annulliert werden“, sagte der Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport, Gunnar Schneunemann, der Nachrichtenagentur dpa. „Wir rechnen mit weiteren Annullierungen und Verspätungen.“ Flugzeuge hätten auf den schneebedeckten Landebahnen nicht bremsen können, auch die Sicht sei beeinträchtigt, so Schneunemann. Dadurch waren alleine am Terminal 1 mehrere hundert Fluggäste gestrandet, einige schliefen auf ausgebreiteter Kleidung, Zeitungspapier und auf Gepäckbändern bei den Abfertigungsschaltern.

Doch der Winter bringt ja nicht nur Ärger: Rodeln zum Beispiel macht jetzt wieder Spaß, die abgewetzten Schlittenbahnen am Insulaner oder im Kreuzberger Viktoriapark sind erneut dick bepudert. Am Mittwochnachmittag schossen ganze Scharen die Hänge hinab. Nur im Schritttempo ging es nach dem einsetzenden Schneefall am Mittwoch dagegen auf den Straßen voran, viele BVG-Busse kamen deshalb verspätet. Bei der S-Bahn setzt sich der Ärger über lange Wartezeiten und Gedränge in den Zügen fort. Nach dem Chaos der vergangenen Tage kam das Unternehmen aber offenbar wieder etwas besser mit dem Wetter zurecht.

Schnee-Stoßzeit am Mittwochabend

Kritisch wurde die Situation auf den Straße, als am Abend dicke Schneewolken die Stadt einhüllten und es spiegelglatt wurde. Von 18 bis 21 Uhr krachte es an vielen Ecken. Die Polizei zählte stadtweit 46 leichte Unfälle. Das sind wesentlich mehr als an normalen Tagen. Insgesamt seien die Verkehrsteilnehmer aber "vernünftig und langsam gefahren", sagte ein Beamter. Viele Berliner versuchten offenbar auf Taxen umzusteigen, weshalb man bei deren Zentralen kaum mehr durchkam. Auch Kurierdienste ließen erheblich länger auf sich warten. Auf den Flughäfen dagegen verlief der Betrieb am Mittwochabend wie schon tagsüber noch weitgehend ungestört.

Die BSR verspricht allerdings, mit aller Kraft auszurücken: Am Mittwoch waren 470 Räum- und Streufahrzeuge im Einsatz. Insgesamt stehen für den Winterdienst 2100 Mitarbeiter zur Verfügung, die in der Nacht zum Donnerstag aufgrund der starken Schneefälle bereits um 2 Uhr ihren Dienst antraten, eine Stunde früher als geplant. Dazu kommen tagsüber 600 von den Job-Centern vermittelte Hilfskräfte, die vorrangig alle rund 18.000 Fußgängerüberwege in der Stadt säubern sollen. BSR-Sprecher Bernd Müller betonte am Donnerstagvormittag, dass die Räumung der verkehrswichtigen Straßen und Hauptrouten in der Nacht "gut geklappt" habe. Die Räumung der Hauptstraßen stehe im Fokus der BSR-Einsätze. Erst wenn diese geräumt seien, gehe man zu den Nebenstraßen über, so der Sprecher weiter. Müller zeigte sich erfreut über positive Rückmeldungen zufriedener Bürger, die ihn am Donnerstag erreicht hätten. Außerdem appellierte er an die Hauseigentümer, den Zugang zu den Mülltonnen freizumachen, um unnötige Verzögerungen bei den Leerungen zu vermeiden. Etwas zu schnell unterwegs war am Mittwochabend ein 57-jähriger BSR-Mitarbeiter. Der Mann war in der Leberstraße in Berlin-Schönefeld im Einsatz, als er gegen 00:15 die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, ins Schleudern geriet und ein parkendes Auto rammte. Daraufhin stürzte das Räumfahrzeug um, der Mann blieb aber unverletzt, wie ein Polizeisprecher am Donnerstag mitteilte.

Wie ein BVG-Sprecher Tagesspiegel.de am Donnerstag mitteilte, habe es "seit den Morgenstunden Verspätungen von 15 bis 20 Minuten im gesamten Busverkehr gegeben." Der Sprecher führte dies auf den zähflüssigen Straßenverkehr zurück. In punkto Räumung habe es "bei der ein oder anderen Haltestelle noch Nachholbedarf" gegeben. Nach Hinweisen durch Kunden oder Fahrer sei die BSR umgehend kontaktiert worden. Die BVG erwartet, dass die vom Wetter am wenigsten abhängige U-Bahn in den nächsten Tagen "zum Rückgrat" des öffentlichen Personennahverkehrs wird. Gegenwärtig beförderten die U-Bahnen bereits täglich 300.000 zusätzliche Fahrgäste, besonders die Linien U2 (Olympiastadion – Pankow) und U5 (Hönow – Alexanderplatz) seien wegen ihrer Schnittstellen zur S-Bahn stark frequentiert.

Offenbar steigen viele Berliner jetzt vom Auto auf die Untergrundbahn um oder suchen sich Alternativen zur S-Bahn im BVG-Netz. Weichenprobleme wie bei der Bahn hatte die BVG bislang nicht. Alle 300 Weichen im Freien seien beheizt. Auch bei der Tram laufe es stabil, heißt es.

In Sachen S-Bahn verbucht Ahlert "keine gravierenden Einschränkungen". Es gebe "mal die ein oder andere Weichenstörung", sagte Ahlert. Die S8 ist um 10 Uhr für eine Viertelstunde zwischen Blankenburg und Schönfließ zum Stehen gekommen. Laut Bahnsprecher Ahlert trat die S-Bahn den Dienst heute mit 340 Fahrzeugen an, gestern waren es noch 335. Die Ringbahn verfüge jetzt über zwei Umläufe pro Richtung mehr, so Ahlert. Im Laufe des Tages wolle er weitere Züge auf die Gleise bringen. Dann sollen die Züge der S1,S2 und S25 verlängert werden. Vom kommenden Montag an will die Berliner S-Bahn wieder 416 Viertelzüge losschicken, die zum Betrieb des bisherigen Notfahrplans erforderlich sind. Auch im Regional- und Fernverkehr werde es laut Ahlert "die ein oder andere Verspätung" geben. Donnerstagmittag vermeldet die Bahn auf der Strecken Leipzig/Berlin Verspätungen von anderthalb Stunden, Züge zwischen Hamburg und Berlin verspäten sich um bis zu 50 Minuten, einzelne Züge fallen aus. Der Streckenabschnitt Bamberg/Saalfeld sei sogar gesperrt. Wegen einer Umleitung verspäten sich die Züge hier laut Ahlert um rund eine Stunde.

In den letzten Tagen hatten sich solche Lageberichte und Ankündigungen allerdings häufig als nicht unbedingt realistisch herausgestellt. Darauf haben uns Leserkommentatoren und Twitterer immer wieder hingewiesen.

Und was sind Ihre Eindrücke und Erfahrungen? Funktioniert der Winterdienst? Erholt sich die S-Bahn wirklich? Und wie läuft der Straßenverkehr? Kommentieren und diskutieren Sie mit. Nutzen Sie dazu bitte die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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