zum Hauptinhalt
Licht aus, Sonne an. Die Stunden pro Tag, an denen man Berlin wie hier am Potsdamer Platz illuminieren muss, werden demnächst weniger.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Wintersonnenwende: Der Sonne entgegen

Das Schlimmste ist geschafft: Seit dem 22. Dezember, 0.03 Uhr, werden die Tage wieder länger. Für eingefleischte Nachteulen ist die Wintersonnenwende aber eine Zumutung.

Ob man ein Glas als halb leer oder halb voll bezeichnet, ist bekanntlich Ansichtssache. Pessimisten neigen zur ersteren, Optimisten zur letzteren Wortwahl. Aufs Kalendarische bezogen: Ob man dem 21. Dezember oder aber dem 21. Juni den Vorzug gibt, ist ebenfalls nicht leicht zu entscheiden – eine Unsicherheit in der Wahrnehmung der Jahreszeit, die gerade in Berlin dieser Tage noch durch die Wetterkapriolen verstärkt wird. Weiße Weihnacht? Denkste, vielmehr Regengüsse am Vormittag, Graupel Stunden später , wie am Sonnabend geschehen, zwischendurch ein bisschen Sturm, danach die angekündigte Warmfront mit 12 Grad plus: Das ist weder Dezember noch Juni, das ist April.

Immerhin, nun werden die Tage wieder länger, auch wenn man bis auf Weiteres noch nichts davon merkt. Im Juni verläuft es umgekehrt, und so geht das jahrein, jahraus. Aktuell bevorzugt wohl fast jedermann den Dezember-Termin und ist dankbar, dass er kein Eskimo, Lappe oder sonst ein Nordländer ist, die unter der lichtarmen Zeit noch ärger zu leiden haben als wir Mitteleuropäer.

Eine kleine Korrektur ist hier vorzunehmen: Die Wintersonnenwende auf der nördlichen Halbkugel, also der Tag, an dem die Sonne zur Mittagsstunde die niedrigste Höhe über dem Horizont erreicht und sich mithin pro Tag am kürzesten blicken lässt, wird zwar vom Laien – und das sind in der Astronomie die meisten von uns – am 21. Dezember vermutet, was ja oft auch stimmt, aber eben nicht immer. In diesem Jahr beispielsweise fiel die Wintersonnenwende auf den heutigen Montag, Punkt 0.03 Uhr MEZ. Die meisten von uns haben diesen doch nicht ganz unwichtigen Termin total verpennt. Aber was sind schon drei Minuten gegenüber den immer helleren, sonnigeren Wochen und Monaten, die vor uns liegen, bis zum 21. Juni, wonach es wieder bergab geht.

Einen entscheidenden Nachteil hat der Dezember-Termin allerdings gegenüber dem im Juni: Es ist zu kalt, meist auch zu nass, um sich der Sonnenwende auf Freiluftfesten zu erfreuen. Die Weihnachtsmärkte lassen wir hier mal beiseite, denken stattdessen an Stonehenge, diese uralt-englischen, in ihrer Bedeutung noch immer nicht ganz entschlüsselten Megalith-Kreise nahe Salisbury.

In der Esoterik-Szene spielen sie eine erhebliche Rolle, ähnlich wie das in Deutschland den wenngleich nicht von Menschenhand geschaffenen Externsteinen im Teutoburger Wald zuteil geworden ist. Regelmäßig finden dort inoffizielle Sonnwendfeiern statt, aber bei aller Vorliebe fürs Dunkel-Mythische bevorzugen die Freunde der Steine den Sommertermin. Bibbern ist erhabenen Gefühlen abträglich.

Doch kehren wir zurück zu den Tagen, die jetzt wieder länger werden, zulasten der Nächte. Manch einer bedauert das. „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da, die Nacht ist da, dass was gescheh’“, schmetterte Gustav Gründgens 1938 in dem Film „Tanz auf dem Vulkan“ und schuf so damals eine Art Nationalhymne aller bekennenden Nachteulen, denen die Zeit zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen gar nicht lang genug sein kann für ihre vielfältigen Aktivitäten. Diese Menschen muss man als die chronischen Verlierer des 21., pardon: des 22. Dezember ansehen.

Sei’s drum, man kann es nicht jedem recht machen. Und astronomisch wird sich das sowieso in einem halben Jahr wieder einrenken, wenn die heutigen Verlierer die Gewinner sind und jeder Minute, die die Tage kürzer werden, entgegenjauchzen.

Zur Startseite