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Kufenzauber. Auf Schlittschuhen, zu Fuß, in Stoßschlitten und selbst auf Fahrrädern wagten sich die Ausflügler auf die vereisten Flussarme im Spreewald. Diesen Winterzauber hatten die Gastwirte in früheren Jahren verschlafen – diesmal nicht.

© Claus-Dieter Steyer

Wintervergüngen: Eis oder heiß im Spreewald

Die zugefrorenen Flussarme im Spreewald lockten Tausende Ausflügler an. Die Gastwirte waren gut vorbereitet. Glühwein und Suppe gab’s an jeder Ecke.

Willkommen im Reich der Kufen. Ein Riesengewimmel herrscht auf dem Eis, Schlittschuhe sind das Sportgerät dieses Wochenendes. Selbst von Hunden lassen sich einige Läufer ziehen, Radfahrer versuchen vorsichtig, im Gleichgewicht zu bleiben, während ältere Damen und Kinder in kleinen Stoßschlitten geschoben werden. Den Glühwein gibt es mitten auf der Spree.

Solche Bilder boten sich tausendfach im Spreewald. Unzählige Ausflügler genossen im 80 Kilometer südöstlich Berlins gelegenen Labyrinth aus zahllosen Flussarmen und Kanälen ein nur alle drei bis sechs Jahre mögliches Vergnügen. Der starke Frost der letzten Tage hatte der Spree einen rund 20 bis 25 Zentimeter dicken Eispanzer verpasst, so dass es vor allem zwischen Schlepzig, Lübben und Lübbenau Spaziergänger und Eisläufer aufs Glatteis zog. Lediglich rund um den Kurort Burg am östlichen Ausgang des Spreewaldes müssen sich die Eisliebhaber noch etwas gedulden. Die stärkere Strömung dort verhinderte eine tragfähige Schicht. Das dürfte sich bald ändern.

Während die Spreewälder Gastronomen in den zurückliegenden Eisperioden das Geschäft mit den Touristen verschliefen, musste diesmal niemand lange nach Glühwein, Erbsensuppe oder Bockwurst suchen. Alle 100 Meter fand sich garantiert ein Stand. Auch viele sonst im Winter geschlossene Gaststätten öffneten und stellten bei minus 10 Grad Stühle und Tische auf die Terrassen. Volksfeststimmung bot der Große Hafen in Lübbenau, wo zu Partymusik einige Touristen sogar ein Tänzchen auf dem Eis wagten.

„Wir könnten heute in einer Stunde hunderte Stoßschlitten vermieten“, sagte der pensionierte Kahnfährmann Joachim Müller am Rande des Hafens. „Meine acht Exemplare sind den ganzen Tag ausgeliehen.“ Diese Holzkonstruktionen werden auch „Himmelbetten“ genannt. Die darin sitzenden Fahrgäste werden geschoben oder eben gestoßen. Früher wärmten heiße Ziegelsteine die Füße der Touristen, während ein dicker Strohsack auf den Sitzflächen vor der Kälte schützte.

Aufsehen erregten auch einige Einheimische, die auf handgeschmiedeten, vorn stark nach oben gebogenen Kufen unterwegs waren. Lederriemen hielten sie an den Schuhen. „Früher haben sich die Spreewälder damit auch auf den gefrorenen und oft mit Kraut bedeckten Wiesen fortbewegt“, erzählte ein Läufer, der die Gleiter vom Großvater geerbt hatte. „Die Form verhinderte ein Steckenbleiben, und obendrein half ein Stock beim Vorwärtskommen.“

Auch die Wirtsleute des Gasthauses „Kaupen No. 6“ zwischen Lübbenau und dem Museumsdorf Lehde kommen nur per Boot oder jetzt auf dem Eis zu ihrem mehr als 100 Jahre alten Bauernhaus. Am Sonntag drängelten sich die Gäste im kleinen Gastraum mit einem originalen Kachelofen. Als Renner erwies sich ein „Spreewälder Nationalgericht“: Hefeplinse mit Zucker und Zimt.

Orientieren kann man sich auf den gefrorenen Wasserwegen anhand der Schilder der Spree.
Orientieren kann man sich auf den gefrorenen Wasserwegen anhand der Schilder der Spree.

© Claus-Dieter Steyer

Vor der Tür knarrte das Eis mitunter. Doch die Einheimischen beruhigten. Da zögen sich nur die Eisschollen noch fester zusammen. Sorglos machten sich die Touristen wieder auf den Weg.

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