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SONNTAGS um zehn: „Wir haben nur diese eine Welt“

Renate Künast predigt in der katholischen Kirche Sankt Canisius

Am Anfang wirkte Renate Künast etwas unsicher. Sollte sie nun nach vorne gehen, zum Altar, oder sich in eine Bankreihe setzen? Einige Sekunden lang stand die Spitzenkandidatin der Grünen unschlüssig im Mittelgang der Charlottenburger Sankt-Canisius-Kirche. Die Gemeinde hatte die Politikerin zu einer „Politischen Vesper“ eingeladen – unter dem Motto „Suchet der Stadt Bestes“ sollte Künast einen Bibeltext auslegen. So, wie es in einigen Wochen auch Vertreter von CDU, SPD und FDP tun werden. Für Renate Künast war die bis auf den letzten Platz besetzte katholische Kirche zunächst ein Auswärtsspiel, bei dem es auch nicht half, dass sie zuvor schon bei einer Jugendweihe eine Ansprache und beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden eine Bibelarbeit gehalten hatte.

Doch im Thema war Künast zuhause. Der Bibeltext, die Schöpfungsgeschichte aus dem ersten Buch Mose, bietet genug Ansatzpunkte, um zu grünen Ideen überzuleiten. Die Aufforderung, die Erde zu bewahren und sich untertan zu machen, lag der Politikerin gleich – was nicht überrascht, bedenkt man, dass sich kirchliche Umweltgruppen seit über 30 Jahren auf genau diese Bibelverse berufen. Auch Künast sprach davon, dass dieser Bibeltext eine „Wertgrundlage“, ein „grüner Faden“ für die Politik sein könne. „Da steckt was drin, der Hinweis, dass wir Menschen nur diese eine natürliche Lebensgrundlage haben“, begann die Spitzenkandidatin. „Wir haben nur diese eine Welt.“ Sie erinnerte an das grüne Wahlplakat mit der Aufschrift „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.“ Und sie predigte gegen Massentierhaltung, Monokulturen, unbeherrschbare Technologien, die Abholzung der Regenwälder und die Überfischung der Meere. Renate Künast war nun voll in ihrem Element.

„Alle tolle Technik hilft nicht, wenn wir uns überlegen, wo der Ursprung war“, sagte Künast und zeichnete ein Bild von einer Stadt, die mit vielen kleinen Schritten beginnt, die Schöpfung zu bewahren. Die Büsche erhält, damit Nachtigallen singen können. Die gute Kitas und gute Schulen hat, nachhaltig wirtschaftet. Die vorsorgt wie einst die Bauern für den nächsten Winter. „Wir sorgen dafür, dass wir mit dem, was wir nur geborgt haben, anders umgehen“, blickte Künast in die Zukunft. Das „Amen“, das traditionell am Schluss der Predigt steht, vergaß sie. Da war es wieder, das Auswärtsspiel einer Grünen, die in der katholischen Kirche nur zu Gast ist. Benjamin Lassiwe

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