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Berlin: Wir kommunizieren

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Es gibt zurückhaltende und kontaktfreudige Menschen, große Schweiger und Plaudertaschen. Politiker müssen kontaktfreudig sein. Das gehört zur Sympathiewerbung, denn sie brauchen Mehrheiten, um ein Mandat oder Amt zu erringen. Neudeutsch nennt man das Kommunikationstalent.

Das Wort ist in aller Munde, als wären wir alle Kommunikationswissenschaftler. Viele Politiker kennen keinen Meinungsaustausch und keinen Streit mehr. Nein, sie kommunizieren immerfort, als stünden sie dauernd unter dem Zwang zum Konsens. Ein oft zu hörender Satz lautet: Unsere Politik ist richtig, wir müssen sie nur besser kommunizieren. Gemeint ist: Wir müssen die Wähler von der Richtigkeit dieser Politik überzeugen. Gerät ein Parteichef in die Schusslinie, beginnt die Kritik häufig mit der Behauptung, ihm fehle die Bereitschaft zur Kommunikation mit der Basis.

Kommunikation bedeutet bekanntlich Verständigung mit Hilfe der Sprache. Ein guter Kommunikator kommt mühelos mit anderen ins Gespräch. Heutzutage schafft er das auch mit kommunikationstechnischen Mitteln, also am Telefon, per Fax oder E-Mail. Die Regierenden Bürgermeister von Dietrich Stobbe bis Eberhard Diepgen hielten Bürgersprechstunden; die waren von 1977 bis 2000 üblich. Heute muss man nicht mehr ins Rathaus gehen, um klüger zu werden. Wir haben bequemere Möglichkeiten im Internet.

Insofern passt das Modewort Kommunikation in die Zeit. Verschleiernd drückt es Distanz aus. Ich will etwas von dir, du willst etwas von mir. Wir können uns darüber verständigen oder auch nicht. Jedenfalls müssen wir darüber reden. Kontakte – im Wortsinne Berührungen – sind mehr. Dazu gehören zwischenmenschliche Beziehungen. Kommunikation ist Mittel zum Zweck. Kontakte haben mit Sympathie zu tun und nicht bloß mit Sympathiewerbung.

Neulich stand in der Zeitung, dass die Staatsanwaltschaft unter dem Verdacht des Betruges gegen eine Einrichtung zur Betreuung Behinderter ermittelt. Der Geschäftsführer dieser Einrichtung wies die Vorwürfe zurück. Zu Einzelheiten äußerte er sich nicht. „Das kommunizieren wir nicht öffentlich“, sagte er. Dabei wollte die Presse gar nicht mit ihm kommunizieren (sich mit ihm verständigen). Sie hatte nur Fragen. So ist das mit den Modewörtern. Sie passen nicht immer.

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