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Berlin: „Wir müssen eine harte Linie fahren“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz will die Unterschiede zur CDU deutlicher benennen.

Viele Sozialdemokraten taten sich anfangs schwer mit dem Partner CDU. Wie fremd sind sie sich nach fast 100 Tagen?

Man fängt langsam an, sich gegenseitig zu verstehen. Aber es gibt Punkte, wo in der täglichen Arbeit immer deutlicher wird, dass SPD und CDU sehr unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichem Programm sind. Die CDU hat im Koalitionsvertrag sehr viele sozialdemokratische Vorstellungen akzeptiert, aber man wird in den nächsten Jahren beobachten müssen, wie gut die beiden Parteien zusammenarbeiten können.

Wo ist die Unterschiedlichkeit zu spüren?

Wir hatten gerade eine sehr heftige Diskussion über die Abstimmung im Bundesrat über die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes. Daran ist deutlich geworden, wie unterschiedlich SPD und CDU in bundespolitischen Fragen ticken. Die SPD ist dafür, die CDU dagegen. Am Ende musste sich der Senat enthalten, weil sich die Partner nicht einigen konnten.

Die SPD hat bei der Affäre um Justizsenator Braun wegen der Schrottimmobilien lange nur zugeschaut, wie die CDU das Problem löst. Ist das falsch gewesen?

Die Vorwürfe gegen Justizsenator Braun, kurz nach der Vereidigung des Senats, kamen für uns alle überraschend. Deswegen gab es eine Unsicherheit aufseiten der SPD, wie man mit dem neuen Koalitionspartner umgehen soll. Man muss aber im Nachhinein sagen, die SPD hätte sich da schneller und klarer positionieren müssen, dass Herr Braun nicht Senator bleiben kann. Die SPD-Führung hat daraus gelernt und würde in einer neuen Situation, von der ich hoffe, dass sie nicht kommt, entschlossener agieren.

Sie haben das Streitthema Mindestlohn angesprochen. Ist Enthaltung eine befriedigende Lösung und Aussicht für die SPD?

Nein, überhaupt nicht. Es kann nicht sein, dass eine SPD-geführte Landesregierung und Klaus Wowereit sich enthalten muss. Auch eine große Koalition kann anders entscheiden: In Mecklenburg-Vorpommern hat die CDU beim Mindestlohn zugestimmt. Die SPD muss nun deutlich machen, dass die CDU den bundespolitischen Start verpatzt hat und gegen die Interessen der Berliner gehandelt hat. Der nächste Konflikt ist absehbar. Wir wollen den Mietanstieg begrenzen, auch durch eine Bundesratsinitiative. Die CDU-geführte Bundesregierung plant dagegen eine vermieterfreundliche Mietrechtsnovelle. Da wird sich zeigen, wie sich die Berliner CDU verhält – ob sie sich an Merkel ranhängt oder im Interesse der Berliner Mieter entscheidet.

Welche Strategie empfehlen Sie?

Wir müssen eine ganz klare und harte Linie fahren. Entweder die CDU macht eine Politik für die Berliner oder sie hat einen richtigen Konflikt mit der SPD.

Wie muss eine Parteiführung reagieren, wenn Gefahr besteht, dass die SPD wegen der Koalitionsdisziplin an Profil verliert?

Klar muss im Parlament und Senat nach Kompromissen gesucht werden; das ist dann nicht 100 Prozent SPD-Programm. Wo es Unterschiede gibt, müssen die aber von der SPD deutlich benannt werden. Wir müssen klar sagen, was wir wollen. Nicht so tun, als seien alle Senatsbeschlüsse die Realisierung unser Träume, sondern klarmachen, was tatsächlich sozialdemokratische Politik wäre.

Ist das eine Aufgabenbeschreibung für einen Parteivorsitzenden?

Ganz klar: Ja. Senatoren sind in der Verantwortung, mit dem Koalitionspartner zusammenzuarbeiten und Kompromisse zu finden. Am Ende ist es immer die Partei, die die eigene Programmatik lupenrein den Bürgern präsentieren muss.

Ohne Wowereit, der unbestrittenen Führungsfigur, wäre die SPD nur halb so viel wert und hätte nicht die Wahl gewonnen.

Ich bin sehr froh, dass wir Klaus Wowereit haben. Seine Stärke und Popularität kann aber auf lange Sicht auch zum Problem der SPD werden. Er möge uns lange erhalten bleiben, aber irgendwann wird es eine Zeit nach Wowereit geben – mit der Frage, ob die SPD dann führende Regierungspartei oder eine 20-Prozent-Partei ist. Um so wichtiger ist, dass die SPD als SPD erkennbar ist und nicht nur über Klaus Wowereit wahrgenommen wird. Deswegen müssen wir gegenüber der CDU deutlich machen, wo die SPD steht.

In der SPD-Fraktion sind viele jüngere Abgeordnete für einen Generationswechsel.

Ich finde die personellen Entscheidungen hervorragend, die wir nach der Wahl getroffen haben. Neben Klaus Wowereit haben wir jetzt eine ganze Reihe von Jüngeren in der ersten Reihe – angefangen bei den Senatsmitgliedern Michael Müller, Dilek Kolat und Sandra Scheeres bis zu Fraktionschef Raed Saleh. Wir haben eine Situation, wo sich neue Köpfe profilieren können für weitere Führungsaufgaben. Jetzt muss die inhaltliche Debatte dazukommen: Wie geht es weiter etwa mit der Wirtschaft, wie gehen wir mit Älteren um, wie wollen wir Berlin weiter entwickeln? Da haben die Bürger noch nicht den Eindruck, dass die SPD die Ideen für eine bessere Zukunft hat.

Interview: Gerd Nowakowski

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