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Berlin: „Wir schöpfen alle Mittel aus – bis hin zur Klage“

Am Virchow-Klinikum regt sich erster Protest gegen eine Zukunft als Regionalkrankenhaus

„Wir werden mit allen Mitteln gegen eine Schließung vorgehen", kündigt der ärztliche Direktor der Charité, Manfred Dietel, an. „Wir werden Klage einreichen und die Bevölkerung wie auch die Wissenschaftler für Aktionen mobilisieren, um für den Erhalt unseres Standortes in Wedding zu kämpfen." Am Rudolf-Virchow-Klinikum formiert sich der Protest gegen eine Schließung als Wissenschaftsstandort.

Damit reagierte Dietel auf Pläne der Expertenkommission Medizin. Wie berichtet schlägt sie vor, im Zuge der Strukturreform der Berliner Hochschulmedizin das Universitätsklinikum Virchow ab 2010 in ein Städtisches Krankenhaus umzuwandeln. Gleichzeitig sollen das Klinikum Benjamin Franklin (UKBF) und die Charité zu einer gemeinsamen Medizinfakultät zusammenwachsen, in gemeinsamer Verantwortung der Freien und der Humboldt-Universität. Das eröffnet den Weg, Mehrfachangebote von Fachbereichen in der Forschung zu schließen. Virchow-Klinikum und Charité gehören beide zur Humboldt-Universität.

Zum Auftrag der fünf Experten gehörte es, 98 Millionen Euro jährlich an der Hochschulmedizin einzusparen. Die Kommission wird ihr Gutachten am Montag dem Regierenden Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD) übergeben. Am Dienstag steht die Hochschulleitung dann vor der unangenehmen Aufgabe, die Mitarbeiter erst einmal über das Gutachten zu informieren. Viele von ihnen haben bisher nur aus der Zeitung von den Plänen erfahren.

Dietel kritisiert, dass das Land bei einer Schließung des Virchow-Klinikums 750 Millionen Euro Baumittel an den Bund zurückzahlen müsste. Der Standort in Wedding sei in Berlin der modernste. Auch sei die 1995 beschlossene Fusion beider Häuser gerade erst vollzogen. Von den Wissenschaftlern am Virchow-Klinikum könnten nach seiner Schätzung höchstens 30 Prozent an die Charité in Mitte übernommen werden.

Als „absolut übel“ lehnt Peter Neuhaus, Direktor der Transplantationschirurgie am Virchow-Klinikum, die Pläne ab. „Wir wurden kalt erwischt.“ Bislang sei er davon ausgegangen, dass das Klinikum Benjamin Franklin geschlossen werde. „Wenn man knapp 100 Millionen Euro einsparen will, ist das die einzige vernünftige Lösung.“ Auch die Behauptung, dass das Virchow-Klinikum in der Wissenschaft nicht so gut sei wie das UKBF oder die Charité sei „grob falsch“. Den Kommissionsvorschlag sieht Neuhaus als Beschädigung seines Rufes: Fortan werde es schwierig, junge Spitzenwissenschaftler für seine Abteilung zu verpflichten. „Die werden doch nicht an ein Klinikum wechseln, das in wenigen Jahren vor dem Aus steht“ – ein „Tod auf Raten“ für das Klinikum.

„Völlig unfassbar“ ist der Kommissionsvorschlag für Roland Felix, Leiter der Abteilung für Strahlenheilkunde. Gerade erst habe er rund 2,5 Millonen Euro bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für Arbeiten zum Thema „Hochfeld-Magnet-Resonanz“ eingeworben. „Dies ist unser Hauptforschungsfeld, das damit wegfallen würde“, gibt er zu bedenken. Das Virchow-Klinikum habe noch gar keine Chance bekommen, sich in seiner vollen Blüte zu entwickeln. Tanja Buntrock / Bärbel Schubert

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