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Berlin: „Wir sind auch dabei“

Wie türkische Blätter über die WM berichten

Sicher, sie hätten lieber der türkischen Mannschaft zugejubelt. Aber weil ihre Elf in der Qualifikation gescheitert ist, steht jetzt eben die deutsche Mannschaft in der Gunst ganz oben. „Unsere Herzen sind bei den Deutschen“, lautete jedenfalls am Freitag die Überschrift einer Kolumne in der Tageszeitung Türkiye. Meinungsmacher Ali Kilicarslan empfahl darin seinen Lesern, bei der Weltmeisterschaft 2006 der deutschen Nationalmannschaft die Daumen zu drücken. „Viele von uns planen mittlerweile ihre Zukunft hierzulande. Egal, ob wir das sehen wollen oder nicht, gehören wir hierher. Deshalb unterstütze ich unsere neue Nationalmannschaft, also unsere neue Heimat“, schrieb Kilicarslan. Es sind ungewohnte Töne für die sonst so nationalistische Türkiye.

Vielleicht haben die türkischen Fans, die am Sonnabend auf dem Kurfürstendamm die deutsche Fahne geschwenkt haben, sich diesen Ratschlag ja wirklich zu Herzen genommen. Jedenfalls konnte man dann in der Hürriyet am Sonntag Bilder von jubelnden türkischen Fans sehen, die nach dem Sieg der deutschen Nationalmannschaft in Hamburg und Frankfurt durch die Straßen gezogen waren. Die Überschrift dazu: „Wenn die Türkei nicht dabei ist, unterstützen wir eben unsere zweite Heimat.“ Die Hürriyet hat ihre eigenen Sportreporter aus der Türkei nach Deutschland geschickt und am Donnerstag der Zeitung eine WM-Beilage beigelegt. Die ähnelte den Sonderteilen vieler Zeitungen: Auf den zwölf Sonderseiten wurden alle Mannschaften vorgestellt, die in den kommenden Tagen gegeneinander antreten werden. „Auf zum Spiel, auf zum Fußball“, hieß es als Überschrift.

Tatsächlich ist die Begeisterung nicht nur am Kiosk spürbar. Überall in Berlin haben türkische und arabische Geschäftsleute ihre Läden mit deutschen Fahnen ausgeschmückt. Andere haben ihren mit blauen Steinchen (gegen böse Blicke) ausgestatteten Mercedes zusätzlich mit einer schwarz-rot-goldenen Flagge bestückt. „Weltcup-Fieber in Deutschland“, titelte am Sonnabend die Hürriyet. Darunter hieß es: „Bei dieser Weltmeisterschaft sind wir auch dabei.“

Und deshalb bleibt seit Freitag immer eine Ecke der türkischen Titelseiten der Weltmeisterschaft 2006 vorbehalten. Mit Logo und Anreißern, die auf die ersten Seite der Europa-Beilage verweisen. Dabei sein ist alles – und sei es aus der zweiten oder dritten Reihe. „Auch wenn die Türkei bei dieser Weltmeisterschaft in Deutschland nicht mitmacht, begegnen die Zuschauer bei allen Veranstaltungen einer türkischen Organisation, einem türkischen Arbeitgeber oder der Geschicklichkeit eines Türken“, tröstete die Hürriyet am Samstag und zitierte zum Beweis zwei Döner-Verkäufer auf ihrer Titelseite: „Wir hoffen, dass wir in diesen Zeiten gute Geschäfte machen und den Döner in der ganzen Welt bekannt machen.“

Und es gab weitere Beispiele: Zwei türkischstämmige Polizisten beispielsweise, die während der WM in der Pressestelle der Frankfurter Polizei eingesetzt sind. Oder Bahadir Balantekin, der in der Jugendbeilage vorgestellt wurde. Denn der gebürtige Türke hat den Auftrag bekommen, in München für die Sicherheit der Nationalspieler zu sorgen. Die Hürriyet titelte: „Türkische Rambos bei der WM“.

Suzan Gülfirat

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