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Berlin: „Wir sind auf das bürgerschaftliche Engagement angewiesen“

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit will Stiftungen erleichtern: „Wir wollen dafür ein Dienstleister sein, der bürokratische Hindernisse ab- und nicht aufbaut“

ERSTER BERLINER STIFTUNGSTAG – AM WOCHENENDE IM ROTEN RATHAUS

Warum findet der erste Stiftungstag im Roten Rathaus statt?

Wo sonst? Der Stiftungstag ist eine Initiative des Berliner Senats. Damit wollen wir das bürgerschaftliche Engagement in dieser Stadt würdigen und vor allem Impulse für weitere Stiftungen geben.

Spielt dabei auch Berlins finanzielle Situation eine Rolle? Je ärmer das Land, desto mehr potente Stifter kann es gebrauchen?

Die Aufgabe von Stiftungen ist sicherlich nicht, staatliche Leistungen zu ersetzen. Aber ich denke, dass in unserer Gesellschaft das bürgerliche Engagement wieder mehr in den Vordergrund der Diskussion gerückt werden muss. Also nicht immer zuerst zu fragen, was kann der Staat für mich tun kann, sondern auch mal zu überlegen, was kann ich für die Gesellschaft tun.

Starkes bürgerliches Engagement, bedeutet gleichzeitig auch weniger staatliche Fürsorge. Ist das also das Ende vom behütenden Sozialstaat, wie er hier seit Jahrzehnten existiert?

Der Sozialstaat muss weiterhin sichergestellt werden, und dafür ist allein die staatliche Seite verantwortlich. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen, die Bürgerinnen und Bürger müssen alles selbst organisieren. Die Grundversorgung in den Bereichen Sozialhilfe, Bildung und Infrastruktur bleibt Aufgabe des Staates. Darüber hinaus gibt es aber andere Bereiche, wie etwa Kunst und Kultur, die auf bürgerliche Initiativen angewiesen sind, wo es mehr Beteiligung aus der Gesellschaft geben muss. Und damit meine ich nicht nur Stiftungen mit großem Vermögen, sondern auch Vereine und Menschen, die sich ehrenamtlich betätigen – eben jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Die scheinen hier nicht allzu groß zu sein. Mit Großstädten wie München, Hamburg oder Stuttgart kann Berlin nicht mithalten.

Das stimmt. Die gute Tradition des Gebens, die in Berlin um die Jahrhundertwende da war – etwa die klassischen Stiftungen des jüdischen Kulturbürgertums – ist durch die Nazis und den Zweiten Weltkrieg buchstäblich vernichtet worden. Und zu Zeiten der Mauer sind viele vermögende Menschen in den Westen abgewandert. Deshalb haben wir einen strukturellen Nachholbedarf.

Und was tut das Land, um aufzuholen?

Gott sei Dank gibt es mittlerweile ein vereinfachtes Stiftungsrecht. Die Bundesregierung hat die steuerlichen Vergünstigungen für Stiftungen verbessert, wenn auch für viele nicht ausreichend. Natürlich geht dadurch dem öffentlichen Haushalt Geld verloren. Dennoch finde ich es sinnvoll, die Steuerfreibeträge weiter zu erhöhen. Um so auch kleineren Stiftungen eine Chance zu geben.

Jetzt haben Sie gesagt, was der Bund verbessert hat. Was tut denn Berlin?

Wir versuchen, für Stiftungen ein Dienstleister zu sein, der bürokratische Hindernisse ab und nicht aufbaut. Und wir versuchen eine Stimmung in der Stadt zu wecken, die das bürgerschaftliche Engagement fördert.

Dennoch gibt es von Seiten der Stiftungen immer noch Beschwerden, dass das Berliner Stiftungsgesetz zu kompliziert sei.

Darüber werden wir sicherlich auch auf dem Berliner Stiftungstag reden. Schließlich ist der Sinn und Zweck dieser Veranstaltung auch, dass sich alle Beteiligten mal zusammensetzen und gucken, was anders gemacht werden kann. Wir wollen das Stiften ja erleichtern und nicht behindern.

Es gibt Berliner Stiftungen, die überlegen nach Bayern abzuwandern.

Wenn die Gründe dafür in der Verwaltung liegen, es also um administrative Dinge geht, dann werden wir das ändern. Der Chef der Senatskanzlei wird der Beauftragte für bürgerschaftliches Engagement in Berlin werden und sich persönlich um solche Fälle kümmern.

Das Gespräch führten Dagmar Rosenfeld und Gerd Nowakowski.

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