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Angelica Großmann will die Welt im Kleinen verändern und ist für viele Flüchtlinge eine wichtige Ansprechparternin.

© Sophie Aschenbrenner

Wir sind so HELLE: Die Netzwerkerin

„Es gibt ein helles Deutschland, das sich leuchtend darstellt“, sagt Bundespräsident Joachim Gauck über die zigtausende Helfer, die sich in diesen Tagen für Flüchtlinge einsetzen. Auch in Berlin geben Freiwillige ihr Bestes. Wir stellen ab heute täglich ein leuchtendes Beispiel vor. Die Erste von Ihnen ist Veronica Großmann, die in Dahlem die Flüchtlingsarbeit koordiniert.

Als Veronica Grossmann im Januar 2015 zum ersten Mal die Flüchtlinge besucht hat, die in der Turnhalle in Dahlem untergebracht waren, hat sie vor allem eines geprägt: „Die Menschen sitzen da den ganzen Tag, gehen vielleicht mal raus, um eine zu rauchen, das war’s.“ Kurzerhand eröffnete die 50-Jährige, braun gebrannte Frau ein Sprachcafé in einem Raum der Kirchengemeinde Dahlem. „Reden mit Händen und Füßen bei Kaffee und Kuchen mit netten Menschen“, so fasst sie das Konzept zusammen. Dann nahm die taffe Frau den Dialog mit den Nachbarn auf, baute Brücken, knüpfte Kontakte. Heute, sieben Monate später, umspannt ihr Netzwerk ganz Berlin. Grossmann organisierte einen Deutschkurs für die Flüchtlinge, macht Ausflüge, ist Ansprechpartnerin. Sechs Tage die Woche ist sie etwa fünf Stunden mit Flüchtlingsarbeit beschäftigt.

Ihre Stärke ist das Zwischenmenschliche. Ein Flüchtlingsjunge, der eingeschult wird, aber weder Schulranzen noch Schultüte hat? „Das geht doch nicht. Da ist er gleich am ersten Tag der Außenseiter.“ Grossmann suchte nach den alten Schulranzen ihrer Kinder, hat eine Schultüte gebastelt und hat dem Jungen versprochen: „Auch wir machen ein Fest zu deiner Einschulung, wie bei den anderen Kindern auch.“

Die Dankbarkeit der Menschen ist ihr Antrieb

Die positiven Gefühle, die sie mit ihrer Hilfe bei den Menschen auslöst, sind ihre größte Motivation. „Da freuen sie sich, und da freu ich mich“, sagt sie bescheiden. Sie erzählt langsam und bedächtig, aber bestimmt. Leicht sei es nicht immer, manchmal beißt sie sich die Zähne aus. Zum Beispiel beim Versuch, einer neunköpfigen Familie aus Afghanistan eine Wohnung zu organisieren.

Ihr Talent, spontan, aber zuverlässig zu handeln, hat Grossmann schon genutzt, als sie noch im Investmentbereich arbeitete, unter anderem in London, Paris und New York. Außer Französisch, Deutsch und Englisch spricht sie auch Russisch, Spanisch und Italienisch – seit Januar lernt sie außerdem Persisch, um sich mit den Flüchtlingen besser unterhalten zu können. Ihr Konzept: „Ich begegne allen Menschen auf Augenhöhe.“ Nie habe sie darauf gedrängt, die Hintergründe der geflüchteten Menschen zu erfahren. „Ich handle im Hier und Jetzt.“

Im Kleinen helfen

Im Januar und Februar hat Grossmann nachts schlecht geschlafen. Die Schicksale der Menschen gingen ihr nahe. Heute kann sie sich abgrenzen. Wenn sie reden muss, geht sie mit Freundinnen ein Bier trinken, spricht mit ihrer Familie. Kraft tankt sie unter anderem beim Tennisspielen, Radfahren oder in ihrem Garten. Liebevoll spricht sie von „meinen Flüchtlingen“, hunderte neue Namen und Nummern hat sie in ihrem Telefon gespeichert – dazu notiert sie sich immer eine kleine Beschreibung, um sich neue Menschen besser merken zu können.

Auf politische Demonstrationen geht sie nicht. Sie hilft lieber im Kleinen und trifft sich mit jedem, der ihre Hilfe braucht. Grossmann versteht nicht, dass es in Berlin so viele Menschen gibt, die mit Flüchtlingsarbeit „nichts am Hut haben“. Sie wünscht sich mehr Sensibilität in Berlin. Und arbeitet täglich Schritt für Schritt daran.

Sind auch Sie in der Flüchtlingshilfe aktiv oder kennen Sie jemanden, den wir hier vorstellen sollten? Schicken Sie uns eine E-Mail an berlin@tagesspiegel.de

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