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Berlin: „Wir wollen den ersten Schritt zur Gemeinschaftsschule“

Hans-Christian Ströbele verhandelte bereits 1989 über Rot-Grün. Jetzt sagt er, woran eine Koalition scheitern könnte

Herr Ströbele, Rot-Grün steht in greifbarer Nähe in Berlin. Sollen die Grünen wieder mitregieren?

Wir hatten das Wahlziel mitzuregieren. Dafür haben uns die Wähler das Votum gegeben.

Die Grünen gehen mit den Forderungen nach Senatorenposten sehr forsch ran. Klaus Wowereit ist darüber nicht sehr erfreut. Wollen die Grünen überhaupt mitregieren?

Wir können nur in eine Koalition gehen, wenn wesentliche grüne Inhalte stimmen. Das sind für mich Bildung, Verkehr und Arbeitsplätze. Wir wollen 100.000 ausfinanzierte Studienplätze. Es darf nicht sein, dass Berliner Abiturienten nach Holland müssen, um zu studieren. Drei Unis müssen wieder eine Zierde für Berlin sein. Und die Hauptschule muss abgeschafft und fusioniert werden...

Also fordern die Grünen doch die sofortige Einrichtung von Gemeinschaftsschule?

Wir wollen den ersten Schritt dazu machen. Die Hauptschulen sollen noch nicht mit den Gymnasien zusammengelegt werden, sondern mit den Realschulen. Und wir fordern auf jeden Fall mehr Geld für die Bildung und mehr Lehrer. Integration ist tragender Bestandteil in der Bildung. Weiterhin fordern wir einen deutlich besseren BVG-Service und geringere Tarife bei der BVG.

Früher forderten Sie den BVG-Nulltarif.

Das wäre schön, doch angesichts der desolaten Haushaltslage Berlins bleibt das ein Traum. Aber eine Vignette für alle Autofahrer kann das Geld bringen für die Senkung der BVG-Preise und kürzere Zeittakte.

Fordern Sie die Teilprivatisierung der BVG?

Ja. Das Schienensystem und die Preisgestaltung bleiben in öffentlicher Hand. Aber das Transportsystem soll ausgeschrieben werden, um den Wettbewerb im Interesse der Kunden zu fördern.

Wollen Sie städtische Wohnungen verkaufen?

Es gibt eine Verpflichtung des Staates gegenüber Mietern, dass die Mieten sozial gestaltet bleiben. Ein Grundstamm von Wohnungen muss in Landesbesitz bleiben – und zwar flächendeckend in Berlin.

Worin liegt denn der elementare Unterschied zwischen den Grünen und der Linkspartei?

Wir wollen in Beschäftigung investieren für mehr Arbeitsplätze. Statt Ein-Euro-Jobs soll mehr in soziale Bereiche investiert werden: Bildung, Wissenschaft, Kultur, Gesundheit. Wir verbinden ökologischen Fortschritt mit mehr Arbeitsplätzen.

Der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper war 1989 einer der SPD-Verhandlungsführer mit den Grünen. An die schwierigen Verhandlungen erinnert er sich mit Grauen. Sind die Grünen jetzt handzahm geworden?

Damals gab es größere Vorbehalte gegenüber uns. Momper hatte sich vor der Wahl festgelegt gegen Rot-Grün. Uns wurde damals sogar abverlangt, als Bedingung in der „Gewaltfrage“ abzuschwören. Heute gibt es lange Erfahrung in gemeinsamen Koalitionen.

Klaus Wowereit bezweifelt, dass die Grünen angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse ein disziplinierter Partner wären.

Wir haben auf Landes- und Bundesebene gezeigt, dass wir sehr zuverlässige Partner in Regierungen sind, auch in sehr schwierigen Situationen.

Im Wahlkampf buhlte die grüne Spitzenkandidatin um Wählerstimmen aus der bürgerlichen Mitte. Wo gibt es überhaupt noch linke grüne Inhalte, die sich von der Linkspartei unterscheiden?

Wir haben deutlich zugelegt auch mit Stimmen aus dem linken Parteienspektrum. Die PDS wurde unglaubwürdig mit ihren Worten gegen Hartz IV und unsozialem Handeln in Berlin, etwa bei den Kita-Plätzen.

Schließen Sie Rot-Rot-Grün aus?

Ich habe Rot-Rot-Grün nie ausgeschlossen. Aber nur dann, wenn die Mehrheiten nicht für Rot-Grün reichen würden.

Herr Ströbele, man darf sagen, dass Sie mit 67 Jahren ein Mann aus der älteren Generation sind. Wie erklären Sie sich den Wahlerfolg der Grauen?

Ich halte nichts davon, von „älteren“ Menschen zu sprechen. Sie sind alt, und das ist gut so. Ich nehme mich da nicht aus. Ich glaube, dass viele alte Menschen das Gefühl haben, sie seien in der Gesellschaft nicht mehr erwünscht und sich niemand um ihre Interessen kümmert. Sie suchen nach Vertretungen in den Parlamenten und wenden sich irrtümlich den Grauen Panthern zu. Die Grauen haben aber keine realisierbaren Konzepte.

Das Gespräch führte Sabine Beikler

Hans-Christian Ströbele (67) ist einer der bundesweit prominentesten Grünen-Politiker. Er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.

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