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Berlin: Wirbel im Hilpert-Prozess

Richter ließ Brief des Anwalts und SPD-Politikers Danckert an den angeklagten Unternehmer öffnen Die Verteidigung rügt dies als Eingriff ins Grundrecht. Und die Verhandlung wird erneut verschoben.

Potsdam - Der Betrugsprozess gegen den schillernden Hotelier Axel Hilpert verzögert sich erneut. Eigentlich sollte bei der zweiten Verhandlung im Potsdamer Landgericht am Mittwoch die Anklage verlesen werden, die dem einstigen DDR-Devisenbeschaffer und Stasi-Mitarbeiter schweren Subventionsbetrug vorwirft. Doch das Verfahren wurde bis zum 8. Februar unterbrochen, weil Hilperts Verteidigung den Vorsitzenden Richter Andreas Dielitz als befangen ablehnte. Anwältin Heide Sandkuhl begründete dies damit, dass Dielitz einen Brief des Rechtsanwalts und Bundestagsabgeordneten Peter Danckert (SPD) an den 64-Jährigen, der seit Sommer 2011 in der JVA Brandenburg an der Havel in Untersuchungshaft sitzt, öffnen ließ. Damit sei, was das Oberlandesgericht Brandenburg inzwischen bestätigt habe, in ein „elementares Grundrecht“, in die „geschützte Kommunikation“ eingegriffen worden. „Wenn Öffnung von Anwaltspost Schule macht, kann man den Grundsatz der freien Verteidigung vergessen“, sagte Sandkuhl.  Mit der Rüge, über die eine andere Kammer entscheiden muss, rückte erstmals ein politischer Freund Hilperts ins Rampenlicht des Verfahrens.

Die Staatsanwaltschaft wirft Hilpert vor allem vor, beim Bau der mondänen Hotelanlage Resort Schwielowsee bei Potsdam die Investitionsbank Brandenburgs (ILB) mit fingierten, aufgeblähten Baukosten getäuscht und so zu Unrecht 9,5 Millionen Euro Fördermittel kassiert zu haben. Der Prozess war auch deshalb mit Spannung erwartet worden, weil Hilpert – Geschäftspartner ist Ex-Bild-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje – beste Drähte in die Politik nachgesagt werden. In der Anlage tagten die Finanzminister der G-8-Staaten und die SPD-Bundesspitze vor dem Sturz Kurt Becks. Nun fiel im Gerichtssaal prompt der erste Name.

Danckert, Mitglied im als „Königsgremium“ geltenden Haushaltsausschuss des Bundestages und Chef der märkischen SPD-Landesgruppe sowie Unterbezirkschef von Dahme-Spreewald, gilt als Schwergewicht. Als Anwalt hatte er in den 90er Jahren Alexander Schalck-Golodkowski verteidigt, in dessen Imperium Hilpert mit Antiquitäten handelte. Dass er hinter den Kulissen für den derzeit prominentesten Häftling im Land aktiv ist, war bisher nicht bekannt. Sandkuhl rügte zudem, dass Dielitz auch einen Besuch Danckerts und „zwar in seiner Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter“ bei Hilpert in der JVA erschwert habe, indem er zunächst eine für Abgeordnete nicht zulässige Überwachung anordnete und dies erst später zurücknahm. Dielitz selbst sagte zur Rüge der Verteidigung lediglich: „Ich bin aus guten Gründen davon ausgegangen, dass es keine Verteidigerpost ist.“ Sandkuhl widersprach prompt: „Wenn Sie Zweifel hatten, dann hätten Sie den Brief ungeöffnet zurückschicken müssen.“ Oberstaatsanwalt Ivo Mayer wies darauf hin, dass Hilpert neben Sandkuhl von den Anwälten Stefan König und Enrico Klingbeil vertreten wird. Hilpert habe eine Verteidigerrolle Danckerts bei Haftprüfungsterminen ausdrücklich verneint, lediglich eine Beratertätigkeit bejaht, sagte Mayer. Das „merkwürdige Institut eines verdeckten Verteidigers“ sei ihm noch nie begegnet. Und er frage sich, ob „zum Abgeordnetenmandat auch Besuche bei Duzfreunden in der Haft“ gehören. „Das ist mir neu.“ Hintergrund der restriktiv-misstrauischen Linie von Gericht und der mit Rückendeckung der Generalstaatsanwaltschaft agierenden Ankläger gegenüber Danckert war dem Vernehmen nach auch ein Vorgang, in den Hilperts frühere Verteidigung verwickelt war. Es soll versucht worden sein, einen in Bali lebenden Zeugen – den früheren Chef des Ostberliner Palasthotels – zu beeinflussen. Danckert ist empört über Gericht und Staatsanwaltschaft. „Ich bin seit 10. Juni 2011 mit einer Vollmacht von Herrn Hilpert ausgestattet, ihn anwaltlich zu vertreten“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wenn ein Vorsitzender Richter Verteidigerpost aufmacht, und das nach Nachfrage bei mir gegen mein Votum, dann ist das ein eklatanter Rechtsverstoß.“ Die Anwürfe des Staatsanwaltes seien „diskriminierend, beleidigend und von Ahnungslosigkeit gekennzeichnet“. Er duze Hilpert, den er lange kenne, „wie einhundert andere Menschen auch“, sagte er. „Was ist daran verwerflich? Und noch gilt in Deutschland die Unschuldsvermutung.“

Vor den neuen Turbulenzen wollte die Verteidigung die 4. Wirtschaftskammer als unzuständig erklären, was das Landgericht ablehnte. Käme die Befangenheitsrüge durch, müsste der Hilpert-Prozess neu aufgerollt werden.

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