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Berlin: Wirtschaft vermisst im Senat Mut und Fantasie

Kammern machen Vorschläge für mehr Wachstum und Beschäftigung. Im Vergleich mit anderen Metropolen schneidet Berlin nicht schlecht ab

Die Berliner Wirtschaft ist enttäuscht vom Regierungsprogramm des neuen Senats. Von „Mut- und Fantasielosigkeit“ sprachen am Freitag die Repräsentanten von IHK und Handwerkskammer bei der Vorstellung eines Papiers über die Chancen Berlins. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der Landtagswahl sein es nun an der Zeit für wirtschaftspolitische Weichenstellungen. Doch stattdessen, so IHK-Präsident Eric Schweitzer, propagiere die neue Regierung ein schlichtes „Weiter so“. Um der „entwicklungshemmenden Staatsquote“ sowie der „anhaltenden Schwäche der Wirtschaftskraft“ entgegenzuwirken, legten die Wirtschaftsvertreter „einen Rahmen vor, was zu tun ist“, wie Handwerkspräsident Stephan Schwarz sagte. Denn alles in allem fehle der Regierungspolitik „die grundsätzliche Ausrichtung auf mehr Wachstum und Beschäftigung“.

Als Beleg für die Verzagtheit der rot-roten Koalition nannte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder den Umgang mit dem Flughafen Tempelhof, für den es einen US-Investor mit einem Konzept gebe, das gut in die Berliner Gesundheitswirtschaft passe. „In jedem anderen Bundesland würde dem Investor der rote Teppich ausgerollt“, meinte Eder, doch der Senat sei nicht einmal bereit, das Konzept des Amerikaners in Ruhe zu prüfen.

Um die Situation der Hauptstadt aussagekräftig zu analysieren, verglichen die Kammern die Berliner Wirtschaft mit London, Wien, Warschau, Hamburg und München. Das Ergebnis ist ernüchternd: Das Wachstum ist überall größer und beim Einkommen und der Wirtschaftsleistung pro Kopf schneidet nur Warschau noch schlechter ab. Besser als alle anderen ist Berlin bei den Ausgaben für die Kultur. Und gemeinsam mit München liegt Berlin an der Spitze bei der Zahl der Schulabsolventen mit „mindestens einem Abschluss der Sekundarstufe II“. Auch bei diversen Infrastrukturkosten, die für die wirtschaftliche Entwicklung von Belang sind, schneidet Berlin nicht schlecht ab: So sind die Durchschnittsmieten für Büroflächen in London sieben Mal so hoch wie hier, und auch die Müllentsorgung ist andernorts teurer. Dagegen sind die Wasserpreise „mit Abstand die höchsten in den sechs verglichenen Großstädten“.

Alles in allem wünschen sich die Kammern vier Dinge von der neuen Regierung: Eine Reform des Bildungswesens, weitere Privatisierungen, eine „radikale Reform“ der Verwaltung sowie die „konsequente Vermeidung zusätzlicher Belastungen für die Unternehmen“. Die geplante Erhöhung der Grund- und Grunderwerbssteuer wird entsprechend abgelehnt. In der Bildungspolitik kritisieren Schweitzer und Schwarz die geplante Gemeinschaftsschule. Weil mehr als zehn Prozent der Schüler ohne Schulabschluss blieben, sei „unverständlich, dass sich der Senat lieber mit neuen Schulmodellen als mit einer Qualitätssteigerung in den bestehenden Schulformen“ befasse. Schließlich vermissen die Kammern „Führungskultur“ und „ Dienstleistungsmentalität“ in der Verwaltung. Länder wie das Saarland hätten vorgemacht, wie man mit einer „tabulosen Deregulierung“ die „Normenflut“ eindämme.

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