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Berlin: Wissenschaftler, Exzentriker, Spargelfan

Zum Einstein-Jahr 2005 wollen Berliner mit Aktionen und Ausstellungen an das Genie erinnern

Was die Kinder an Albert Einstein besonders faszinierte, war seine Art zu essen. Wenn der berühmte Physiker in der Villa Lemm in Gatow zu Gast war, dann konnte er Spargel und Erdbeeren wie ein Scheunendrescher verschlingen. Das war ungerecht. Denn sie, die Kinder, mussten Maß halten, erinnert sich der heute 86-jährige Peter Plesch. Einstein kam oft zum Essen, er logierte dann im Gartenhaus der Villa an der Havel. Die Villa gehörte Peters Vater, der Einsteins Arzt und Freund war.

Peter Plesch ist nach Berlin gekommen, um von seinen Begegnungen mit Einstein zu erzählen. Er will Lust machen, sich mit diesem genialen wie exzentrischen Mann näher zu beschäftigen. 2005 ist das „Einstein-Jahr“, in Berlin und überall auf der Welt. Im Jahr 1905 veröffentliche Albert Einstein fünf wissenschaftliche Arbeiten, die das physikalische Weltbild von Grund auf verändern sollten. In Berlin hat sich ein „Initiativkreis Bürger Einstein“ gegründet, um das Einstein-Jahr mit Ausstellungen, Aktionen und Wettbewerben zu füllen. In Ulm, Einsteins Geburtsort, wurde schon dieses Jahr gefeiert. Deshalb machte es Sinn, zur Einstimmung auf das Einstein-Jahr in die baden-württembergische Landesvertretung einzuladen.

Der Chemiker Peter Plesch ist ein fröhlicher Pensionär, ein knorriger Engländer, der gerne Anekdoten erzählt und keine Spur von Verbitterung an sich hat. Im Juni 1933 mussten die Pleschs aus Deutschland fliehen. Die getauften Juden waren wegen ihrer engen Beziehung zum geächteten Einstein in besonderer Gefahr. Auf den Physiker sei von den Nazis ein „Kopfgeld“ von 10 000 Reichsmark ausgesetzt worden, erzählt Plesch. Damit war er praktisch vogelfrei. Einstein musste sich im Ausland verstecken, aber man korrespondierte weiterhin. Auch die Plesch-Kinder wandten sich – vom Vater ermutigt – an den damals schon weltberühmten Physiker. Peter Plesch war an der englischen Ostküste auf Schnecken-Fossilien gestoßen, deren Hausspirale in genau entgegengesetzter Richtung drehte als bei den heutigen Nachfahren. Einstein schrieb ihm einen langen Brief mit Erläuterungen zur Symmetrie, der mit dem Halbsatz endete: „aber den wirklichen Grund weiß keiner.“

In der Berliner Zeit, bei Besuchen in der Gatower Villa, erhielten die Plesch-Kinder vom Vater Richtlinien zum Umgang mit Einstein. „Wenn er euch anspricht, dann redet mit ihm, wenn er Ball spielen möchte, dann macht auch das, aber wenn er spazieren geht, die Hände auf dem Rücken, dann unbedingt in Ruhe lassen. Dann denkt er.“ In der Villa suchte Einstein „Zuflucht vor allem, was ihn belästigte, inklusive seiner Frau Elsa.“ Familiäre und gesellschaftliche Verpflichtungen waren Einstein ein Graus.

Der Spiegel-Reporter Jürgen Neffe hat eine Biografie über den Physiker und Pazifisten geschrieben, die im nächsten Jahr erscheinen soll. Darin ist dem Verhältnis Einsteins zu den Frauen („ein blinder Fleck“ in seiner Persönlichkeit) ein ganzes Kapitel gewidmet. Auch das Segeln auf Havel und Schwielowsee spiegelt Einsteins eigenwilligen Charakter wider. Er konnte nicht schwimmen, lehnte es aber ab, Schwimmwesten mitzunehmen, erzählt Neffe. Um sich vor der Sonne zu schützen, setzte Einstein keinen Hut auf, sondern knotete sich ein Taschentuch ums Haupt – dies sei ein Hinweis auf die gekrümmten Räume im Weltall gewesen, sagt Peter Plesch und lacht.

In einer Frage widersprechen sich Biograf und Zeitzeuge. Lehnte Einstein es ab, bei Flaute zum Ruder zu greifen, wie Neffe meint, oder ruderte er gar zu kräftig, was später zu einem Herzleiden führte, so die Darstellung Plesch? Da muss die Forschung nochmal ran, aber Neffe hat es nach einem Jahr intensiver Recherchen aufgegeben, den Mythos Einstein in allen Facetten offen legen zu wollen. „Es kursieren so viele Anekdoten und Geschichten…“ Nicht mal die Frage, wo Einstein seine Relativitätstheorie zum ersten Mal öffentlich vorstellte, ist eindeutig geklärt.

Zum Einstein-Jahr wird es ab 28. Februar 2005 eine Ausstellung im Kronprinzenpalais Unter den Linden geben. Das Buch „Einstein – Eine Biographie“ wird im Januar bei Rowohlt erscheinen. Weitere Infos unter: www.einstein.bits.de

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