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Berlin: Wo Gorki kurte und die Titanic ein zweites Mal sank

Der Kurort Bad Saarow steckt voller Geschichten, die sich auch bei kühlem Wetter entdecken lassen.

Ein bittendes Winken, ein kurzes Nicken und schon schipperte das kleine Reporterteam über den Scharmützelsee. Die „Edel-Rentner“, wie sich das Pärchen auf dem Boot vorstellte, hatten die Fotoapparate gesehen und spontan mit ihrem Boot am Ufer angelegt. „Die schönsten Fotos von Bad Saarow entstehen doch vom Wasser aus“, meinte der rüstige Herr, bevor er den Motor auf Touren brachte.

Dem war nichts hinzuzufügen. Eine gute Gelegenheit, den vielen Mythen und Geheimnissen auf, im und am See etwas näherzukommen. Denn ein Zauber muss ja über dem „Märkischen Meer“, wie Theodor Fontane einst überschwänglich das rund zehn Kilometer lange Gewässer beschrieb, liegen. Im späten Herbst eignet sich vielleicht so eine Schiffstour am besten dafür, geben doch die blätterlosen Bäume die Sicht auf die Ufer frei. Auch die Dampfer der „Weißen Flotte“ machen hier keine Winterpause und starten sonnabends und sonntags zu rund zweistündigen Rundfahrten mit Kaffee und Kuchen. Der Hafen befindet sich am Ende des Kurparks unterhalb des Hotels „Esplanade“.

Doch Schiffe, so erzählen es einige Chroniken, sind in der Vergangenheit durchaus nicht nur zum Vergnügen der Ausflügler über den See gefahren. Im Sommer 1942 stieß hier im Nebel sogar die „Titanic“ gegen einen Eisberg und versank in den Fluten. Allerdings handelte es sich nur um einen verkleinerten Nachbau des Ozeanriesen, und der Eiskoloss bestand aus Holz. Der künstliche Nebel entwich aus großen Rohren, doch der Zusammenprall erfolgte nicht weniger dramatisch als bei der viel später inszenierten Hollywood-Produktion. Die Ufa verfilmte hier die Tragödie, wobei sich der Hass auf den Kriegsgegner England wie ein roter Faden durchs Drehbuch zog.

In Bad Saarow selbst dürfte die Filmmannschaft nicht besonders aufgefallen sein. Spätestens seit den früheren 1920er Jahren war man schließlich an viele prominente Gesichter gewöhnt. Zahlreiche prächtige Villen aus dieser Zeit lassen sich vom Boot und später auch zu Fuß bewundern. Als erster Name fällt meistens zuerst der des Boxidols Max Schmeling, der am 22. Juli 1933 in der kleinen Dorfkirche die tschechische Schauspielerin Anny Ondra heiratete. Bis 1938 lebte der Weltmeister in Bad Saarow, woran seit einigen Jahren ein Max-Schmeling-Wanderpfad erinnert.

Auch Maxim Gorki genoss die gute Luft am See und kurierte 1921 und 1922 im Sanatorium sein Lungenleiden aus. Mit seinem Namen ist im Ort bis heute eine kleine Kuriosität verbunden. 1972, als sich die Gründung der Sowjetunion zum 60. Mal jährte, öffnete eine Maxim-Gorki-Gedenkstätte ihre Türen. Die Wahl war auf ein im russischen Stil erbautes Holzhaus gefallen, das bis 1938 einem jüdischen Bankier gehörte hatte. Er musste wie so viele andere Unternehmer und Künstler unter den Nazis emigrieren. Bis 1996 blieb die Gedenkstätte für Maxim Gorki, der in dem Gebäude jedoch nie gelebt hatte. Heute steht das Haus nach mehreren Eigentümerwechseln zum Verkauf.

Heinz Rühmann dagegen logierte mit anderen Stars bevorzugt im mondänen Kurhaus Esplanade, das am 1. Mai 1945 in Flammen aufging und auf dessen Fundamenten später die Freilichtbühne entstand. Ein neues Wellnesshotel führt den alten Namen unweit des alten Grundstücks fort. Während sich das moderne Gebäude vom Wasser aus etwas versteckt, zeigen sich die „Villa Contessa“, die als „kleinstes First-Class-Hotel Deutschlands“ um Gäste wirbt, und das Parkcafé als prächtige Villen einstiger Berliner Fabrikanten. Kaum zu glauben, dass sich hier bis 1994 ein unzugängliches Sperrgebiet befand. Doch die Rote Armee hatte den Kurpark für ihr Sanatorium mit in Beschlag genommen, genau wie das 1914 eröffnete Moorbad.

Viel zu schnell ging die Spritztour übers Wasser zu Ende. Auf dem Notizzettel stehen viele sehenswerte Ziele für den späteren Landgang, so die Saarow- Therme, das Restaurant „Villa am See“ im A-Rosa oder das Café Dorsch mit seinen historischen Fotos an den Wänden. In Bad Saarow und am Scharmützelsee wird es auch im Winter nicht langweilig.

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