zum Hauptinhalt

Berlin: Wo Klassenfahrten Luxus sind

Im Jugendzentrum „Arche“ in Hellersdorf bekommen Kinder ein warmes Mittagessen und Hilfe bei den Schularbeiten

Hungrig schaufelt sich Henry Hühnerfrikassee mit Reis in den Mund. Seine Eltern arbeiten noch, wenn er von der Schule nach Hause kommt. „Ich kann ja nicht jeden Tag Eier essen“, sagt er mit leichter Empörung. Denn die Kochkünste des Zwölfjährigen reichen nur für Rühreier und Spaghetti mit Tomatensoße. Im christlichen Jugendzentrum „Arche“ in Hellersdorf bekommen er und etwa 160 weitere Kinder täglich ein warmes Mittagessen, ohne dafür bezahlen zu müssen.

Vielen Familien in der umliegenden Siedlung fehlt es am Nötigsten, sagt Pfarrer Bernd Siggelkow: „Manche kriegen erst abends etwas zu essen und sind dementsprechend hungrig.“ Viele Kinder wachsen nur mit der Mutter auf, die Väter zahlen reihenweise keinen Unterhalt. Ab Januar, wenn die Reformen von Hartz IV greifen, rechnet er mit 30 bis 50 Kindern mehr am Tag. „Schon jetzt erkundigen sich viele Eltern, die nicht wissen, ob sie ihren Kindern ab Januar ein Mittagessen ermöglichen können.“

Eine Kleiderkammer versorgt die Kinder mit gut erhaltener Kleidung. Wenn eine Klassenfahrt ansteht, versucht die Arche bedürftige Kinder finanziell zu unterstützen. Dass die Wirtschaft stagniert, merkt Leiter Siggelkow auch an den rückläufigen Spenden – wobei sich das Zentrum beinahe ausschließlich über Spenden finanziert. „Auch wer Arbeit hat, hält das Geld zusammen“, sagt der sechsfache Vater. Im Februar eröffnet sein Verein eine weitere „Arche“ in der Ebertystraße in Friedrichshain. „Wir reagieren damit auf die steigende Nachfrage. Denn vergleichbare Projekte gibt es kaum.“

Armut führt zu Ausgrenzung. Das weiß auch die elfjährige Celine. „Ich habe mich sehr einsam gefühlt, als ich letztes Jahr nicht mit auf Klassenfahrt konnte, weil kein Geld da war“, sagt sie. Früher bekam sie 25 Euro Taschengeld im Monat, heute nur noch zehn. Von Hartz IV hat sie zwar noch nichts gehört, aber für sie ist klar: „Der Schröder macht alles teurer und zieht beim Gehalt immer mehr ab.“ Neue Kleidung ist selten drin, das meiste bekommt sie von Geschwistern oder der Tante.

Mit ihrem fünfjährigen Bruder David sitzt Jacqueline an einem Tisch im Essensraum. Die 17-Jährige hat ihn von der Vorschule abgeholt. Auch um drei weitere Geschwister kümmert sie sich. „Für das Nötigste reicht es. Aber Markenklamotten oder Urlaub, das ist nicht drin.“

Die Arche in Hellersdorf bietet Hausaufgabenhilfe an, Spiel- und Sportgruppen, Basteln und Reisen. Damit gibt sie den Kindern Halt, versucht aber zugleich, die Eltern einzubeziehen. Peter Thiel, Vater von zwei Kindern, hilft zum Beispiel ehrenamtlich in der Küche. „Ich würde sonst zu Hause rumsitzen“, sagt der Empfänger von Arbeitslosenhilfe. Der Dank und die Freude der Kinder motivieren ihn.Von Hartz IV verspricht er sich eher Vorteile. Dann nämlich könnte seine Arbeit möglicherweise als Ein-Euro-Job eingerichtet und vergütet werden.

„Eine Beschäftigung holt die Menschen oft aus ihrer Lethargie“, sagt Pfarrer Siggelkow von der Arche. „Hier sehen sie, dass ihre eigenen Probleme im Vergleich zu anderen vielleicht gar nicht so schwer wiegen.“

Informationen zu Spenden gibt Pfarrer Siggelkow unter Tel. 9935973. Die Arche im Netz: www.kinderprojekt-arche.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false