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Berlin: Wo noch was zu holen ist

Mit Verkäufen und Kürzungen könnte Berlin weitere Milliarden einsparen – wenn der Senat bereit ist, die sozialen Folgen zu tragen

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Lang und umfangreich sind die Ideensammlungen und Streichlisten zur Haushaltssanierung. Es gibt radikale und behutsame Ansätze. Viele Vorschläge dürften in den kommenden Wochen abermals diskutiert und – vielleicht mit größerer Entschiedenheit als bisher – auf ihre Tauglichkeit geprüft werden.

SOZIALKOSTEN

Der Haushalt im Sozialbereich umfasst in diesemJahr rund drei Milliarden Euro, darunter laut Hochrechnung allein 1,38 Milliarden Mietzuschüsse für Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Diese Mittel sind gesetzlich verpflichtend: Der Senat könnte aber die Mietobergrenzen weit niedriger auf dem Niveau der früheren Sozialhilfe ansetzen.

Dadurch würde Berlin zwar Geld sparen, aber soziale Härten für Betroffene und Zwangsumzüge in Kauf nehmen. Der zweitgrößte Etatposten umfasst mit rund 876 Millionen Euro die so genannten Hilfen in besonderen Lebenslagen: Kosten für die Eingliederung Behinderter, Hilfen zur Pflege, Altenhilfe oder Gesundheitsprophylaxe. 305 Millionen Euro sind für die Hilfen zur Erziehung veranschlagt: 2002 waren es noch 451 Millionen Euro. Hier könnte die Landesregierung noch weiter kürzen.

Ob das im Zuge der gesellschaftlichen Debatte um Verwahrlosung von Kindern politisch gewollt ist, ist fraglich. Auf 170 Millionen Euro belaufen sich die Kosten der Grundsicherung, die erwerbsunfähigen Menschen ohne Rente oder mit geringer Rente zustehen. Schon stark gesunken ist die Krankenhilfe für Menschen ohne Krankenversicherung von 99 auf 29 Millionen Euro.

GESUNDHEIT

Der Krankenhauskonzern Vivantes könnte vollständig verkauft werden. Über die Höhe des Erlöses kann man nur spekulieren. Doch würde das Land jährlich viele Millionen an Zuschüssen sparen, die für Forschung und Lehre ebenso gezahlt werden wie für die bauliche Unterhaltung. Allein die Kosten für die Sanierung von Charité-Gebäuden sind auf rund 400 Millionen Euro veranschlagt.

JUSTIZ

Der Senat könnte den geplanten Bau der neuen Justizvollzugsanstalt mit 650 Haftplätzen in Großbeeren rückgängig machen und so zirka 89 Millionen Euro einsparen. Die Folge wäre: Die Überbelegung der Gefängnisse (Belegungsquote 2005: 101,8 Prozent) bliebe bestehen – und die schlechte Stimmung in den Haftanstalten wegen teils unzumutbarer Haftbedingungen auch. Geld sparen könnte auch eine Privatisierung der Gefängnisse, was Rot-Rot bisher ablehnt. Amtsgerichte, Land- und Kammergerichte, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte kosten einschließlich der Staatsanwaltschaften in diesem Jahr rund 478 Millionen Euro: Der Senat könnte sparen, zum Beispiel auf zwei weitere geplante Wirtschaftskammern verzichten – oder die Gebäudemieten von 11,4 Millionen Euro durch Umzüge reduzieren.

WOHNUNGSWESEN

Allein 1,03 Milliarden Euro verschlingt die bis 2015 auslaufende Wohnungsbauförderung in diesem Jahr. Doch diese Summen können nicht ad hoc abgeschmolzen werden. Was bleibt: der Verkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften.

Durch den Verkauf von 14 Unternehmen flossen seit 1994 fast 1,7 Milliarden Euro in den Landeshaushalt. Heute gibt es noch sechs Gesellschaften, die 280 000 öffentliche Wohnungen verwalten, das sind 15 Prozent des Berliner Wohnungsbestandes. Diese Unternehmen sind mit zirka sechs Milliarden Euro verschuldet. Durch verfehlte Geschäftspolitik belaufen sich zum Beispiel die Schulden der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) auf 1,15 Milliarden Euro. Sie sollen durch den Verkauf von 3000 Wohnungen bis Ende 2007 auf 491 Millionen Euro gesenkt werden. Der Senat könnte jetzt theoretisch alle Wohnungen ohne Rücksicht auf Mieterinteressen verkaufen. Dresden zum Beispiel hat 48 000 Wohnungen zu einem Netto-Kaufpreis von rund 982 Millionen Euro verkauft.

ANDERE VERMÖGENSVERKÄUFE

Das Land Berlin hat noch immer einen großen Bestand an Immobilien und an landeseigenen Betrieben. Die Berliner Stadtgüter im Norden zum Beispiel sollen bis Ende des Jahres verkauft werden. Erwarteter Verkaufserlös: zirka neun Millionen Euro. Auch die Hafen- und Lagerhallenbetriebe (Behala) könnten privatisiert werden, ebenso wie die Stadtreinigung und – auf lange Sicht – die BVG. Erlösschätzungen gibt es dafür nicht.

ÖFFENTLICHER DIENST

Der Beschäftigungspakt im öffentlichen Dienst läuft 2009 aus. Theoretisch könnten Mitarbeiter dann betriebsbedingt gekündigt werden. Auch eine Verwaltungsreform könnte helfen, Stellen zu sparen. Noch weiter geht der Vorschlag, die Bezirke ganz abzuschaffen. Was mit Papieren und Genehmigungen zu tun hat, könnten die Bürger in entsprechenden Außenstellen der Verwaltung erledigen. Damit ließen sich einem Gutachten zufolge bis zu 450 Millionen Euro jährlich sparen.

KULTUR

Wenn die Kosten der Berliner Kultur zur Debatte stehen, ist stets von den „drei Opern“ die Rede, die die Stadt sich leiste – und von der Hoffnung, dass der Bund vielleicht die Staatsoper übernimmt. Die muss für über 100 Millionen Euro saniert werden, doch immerhin sind sich Bund und Senat über die Aufteilung der Kosten einig. Jährlich 38 Millionen Euro wendet Berlin derzeit für die Staatsoper auf.

ÖFFENTLICHE SICHERHEIT

1,32 Milliarden Euro kostet die öffentliche Sicherheit in Berlin. Finanzsenator Thilo Sarrazin hat gelegentlich darauf hingewiesen, dass die Berliner Polizei noch Ausstattungsvorsprünge gegen- über der Hamburger Polizei habe – die Berliner Polizei hat das bestritten. Sicher ist, dass Finanz- und Innensenator dem Bund gerne 105 Millionen Euro jährlich in Rechnung stellen würden. So viel kostet es angeblich das Land, wenn Berliner Polizisten Aufgaben übernehmen, die mit Bundespolitik zu tun haben. Doch seit 2001 überweist der Bund jedes Jahr „nur“ rund 39 Millionen Euro für den Schutz der Botschaften und Staatsgäste.

SPORTFÖRDERUNG

Die Mittel sind zwischen 2002 und 2007 von 27,9 auf 22,3 Millionen Euro gesenkt worden. Die Vereine erhalten rund 5,4 Millionen Euro Unterstützung. Theoretisch könnte der Senat den Vereinen noch mehr Geld streichen, aber dadurch würde das ehrenamtliche Engagement von 60 000 Menschen im Sport politisch in- frage gestellt werden. Sollte der Senat die 34,5 Millionen Euro jährlicher Zuschüsse für die Berliner Bäder Betriebe kürzen, müssten noch mehr Hallen geschlossen werden. Der Senat könnte auch die soeben beschlossene Weiterführung des Schul- und Sportstättensanierungsprogramms auslaufen lassen: Damit würde er rund 60 Millionen Euro pro Jahr sparen. Auch eine Olympia-Bewerbung für 2020 könnte der Senat wieder zurückziehen: Damit würden Millionen Euro eingespart werden. Die erfolglose Olympia-Bewerbung Anfang der 90er Jahre kostete rund 25 Millionen Euro.

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