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Wohlfahrtsverband-Chef: "Das ist kleingerechnete Willkür"

Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, zur Situation armer Kinder.

Warum fordern Sie eine bedarfsgerechte Ermittlung der Regelsätze für Kinder von Hartz-IV-Empfängern?

Weil die jetzt zugrunde gelegten Summen teilweise eklatant am tatsächlichen Bedarf vorbeigehen. Das ist willkürlich klein gerechnet.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Leider gibt es viele: Wenn man einem Teenager beispielsweise 2,87 Euro für den Friseur zugesteht, dann kann er davon vielleicht zweimal im Jahr einen Salon aufsuchen. Oder 60 Euro im Jahr für Schuhe. Und das bei Kindern, die wachsen. Jede Mutter und jeder Vater weiß, dass das niemals ausreicht. Nicht einmal in Berlin.

Frau von der Leyen beruft sich auf statistische Berechnungen.

Und macht mal wieder deutlich, dass dies gerade bei Kindern offenbar überhaupt nicht funktioniert.

Manche argumentieren, das seien ja nur „Mittelwerte“, die sich am Ende in der Pauschale ausgleichen würden, weil der eine weniger für Schuhe und der andere weniger für den Friseur benötigt?

Genau dieses Argument kann jetzt eben nicht mehr gelten, denn angeblich hat man ja den genauen Bedarf errechnet. Zuvor war es so, dass mit der Anbindung der Ansprüche des Kindes an den Satz der Eltern dem Kleinkind sozusagen auch die Kosten für Zigaretten zugestanden wurden und dem Erwachsenen die für Windeln.

Und was sagen Sie zum Bildungspaket, mit dem Kinder von Hartz-IV-Empfängern besonders gefördert werden sollen?

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vor allem, weil es jetzt einen Anspruch auf Lernförderung gibt. Allerdings berücksichtigen die zusätzlichen Sachleistungen nicht die schon bestehenden Strukturen.

Sie meinen, dass es beispielsweise in Berlin schon jetzt subventioniertes Schulessen gibt und Kinder von Hartz-IV-Empfängern kostenlos in Sportvereine können?

Genau das meine ich. Wenn die Länder oder Kommunen jetzt sagen: Aufgrund der Förderung des Bundes ziehen wir unsere Subventionen zurück, ist ja für die Familien nichts gewonnen.

Was raten Sie den Betroffenen?

Wir ermuntern Eltern, die sich ungerecht behandelt fühlen, ihr Recht und das ihrer Kinder vor Gericht einzufordern.

Das Interview führte Sandra Dassler.

Ulrich Schneider (52) ist Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Gestern stellte er sein neues Buch „Armes Deutschland“ über das „Scheitern der Hartz-IV-Politik“ vor.

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