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Van Bo Le-Mentzel hat eine Wohnung entworfen, die winzig, dafür aber günstig ist. Doch nicht jeder glaubt, dass das experimentelle Konzept in Berlin funktionieren könnte.

© Georg Moritz

Wohnraum in Berlin: Berliner Architekt baut 100-Euro-Behausungen

Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel will die steigenden Wohnungspreise und immer knapperen Wohnraum bekämpfen - mit Mini-Behausungen für 100 Euro Miete.

Eine Wohnung mit Küche, Bad, Bett, Schreibtisch und Sessel, das Ganze passt auf 6,4 Quadratmeter und kostet 100 Euro Miete – willkommen zu Hause? Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel will mit diesem Raumwunder eine Antwort auf die steigenden Wohnungspreise und immer knapperen Wohnraum in Großstädten liefern. Zwei Meter ist die Musterwohnung breit, 3,20 Meter lang und verfügt über altbautaugliche 3,60 Meter Deckenhöhe. Das Bett kann als eine Art zweite Etage eingerichtet werden kann, hier steht auch der Schreibtisch.

Klingt simpel, aber für Le-Mentzel kommen hier ganz große Strömungen der Gestaltung zusammen. „Die Effizienz der Raumorganisation kommt vom Bauhaus, und die Ästhetik der Proportionen aus dem Barock.“ Die logische Konsequenz: „Bauhaus-Barock“ sei das, was der 39-Jährige da geschaffen hat. Geprägt haben ihn, der in Wedding aufwuchs, auch die WBS 70-Wohntypen der DDR. Die Miete von 100 Euro soll Heizkosten und Internet-Anschluss schon beinhalten.

Dahinter steckt ein größeres Projekt: Die Tinyhouse-Bewegung

Derzeit steht die Mini-Wohnung auf einem Anhänger am Carl-Herz Ufer 9 in Kreuzberg. Noch bis zum 17. März können sich Interessierte in der überschaubaren Bleibe umgucken – und sogar zur Probe übernachten. Unter den ersten Besuchern gibt es gleich ein paar Anfragen. Auch Rebekka, 34 Jahre, die gerade ihr Hausboot in Saarbrücken verkauft hat und in eine 50 Quadratmeter-Wohnung in Kreuzberg gezogen ist, kann sich vorstellen, in der Mini-Wohnung zu leben. „Es ist schön funktional, ich bin eh sehr minimalistisch.“

Hinter dem Kreuzberger Kleinod steckt ein größeres Projekt: Die Tinyhouse-Bewegung, die in den USA schon länger aktiv ist und mit platzsparenden Wohnmöglichkeiten experimentiert. Le-Mentzels Wohneinheiten könnten in einem Komplex auf- und nebeneinander gebaut werden, so die Vision des Gründers der Berliner Tinyhouse University. Wer zusätzlichen Platz benötigt, könnte mehrere Einheiten mieten. In den Wohnkomplexen soll es zudem große Gemeinschaftsräume geben. Diesen „Co-Being Space“ könnten die Mieter gemeinsam gestalten. Der Unterschied zu einer WG: Jeder Mieter hat ein eigenes Bad und eine eigene Küche. Auf diese Weise erhofft sich der Erfinder „eine gesündere und ungezwungenere Dynamik“.

In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht man das Projekt skeptisch

„Wenn es in jeder Stadt 100-Euro-Wohnungen gäbe, würde das den gesamten Blick auf unseren Wohlfahrtstaat und die Flüchtlingspolitik verändern“, heißt es in einer Mitteilung der Tinyhouse University. „Man bräuchte keine Flüchtlings- und Obdachlosenheime mehr.“ Schließlich käme man auch mit Flaschensammeln auf einen Monatsumsatz von 200 bis 400 Euro im Monat. Ob man die Zielgruppe so weit fassen kann? „Ich könnte mir das nicht vorstellen“, sagt ein 42-jähriger Besucher aus Mitte, der sich die Kreuzberger Wohnbox anschaut. „Es wäre mir einfach zu eng, ich kann mich ja kaum bewegen.“

Unterstützt wird das Projekt in Berlin von der Hilfswerk-Siedlung GmbH, einem evangelischen Wohnungsunternehmen, das laut Le-Mentzel vielleicht auch Investor seines Projekts wird. „Optimal wäre das Dragoner-Areal am Mehringdamm“, sagt Le-Mentzel. Spatenstich könnte schon 2019 sein.

In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht man das Projekt eher skeptisch. „Ob sich Menschen, die einen dauerhaften Wohnsitz suchen, wirklich für einen 6,4 Quadratmeter großen Wohnwürfel entscheiden, bleibt abzuwarten“, sagt Sprecherin Petra Rohland. Für Menschen, die sehr einfache Wohnformen bevorzugen, sei es vielleicht eine Alternative, aber eine Lösung des Wohnungsproblems sei es nicht. „Wohnen hat auch immer etwas mit Städtebau zu tun und diese Form in das Berliner Stadtbild zu integrieren, würde schwer fallen.“

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