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Schöne Aussichten! Rita Schülke fürchtet um das viele Grün vor ihrem Balkon – wenn dort ein hoher Wohnblock hingestellt wird.

© Kai-Uwe Heinrich

Wohnungsbau in Berlin: Balkon mit Klotzblick

In Friedrichshain sollen neue Wohnungen entstehen – aber die Anwohner fürchten um ihre Lebensqualität.

Vom Balkon ihrer Mietwohnung in der Friedrichshainer Krautstraße blickt Rita Schülke auf einen kleinen Spielplatz und ein paar üppige Bäume. Noch. Denn in dem Viertel zwischen der Karl-Marx-Allee und der Holzmarktstraße sollen Bäume, Spiel- und Parkplätze neuen Häusern weichen – die wachsende Stadt braucht Wohnungen.

Die landeseigene Wohnbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) hat für die sogenannte „Nachverdichtung“ schon einen Masterplan, um „die Potenziale der Grundstücke zu analysieren“, wie Pressesprecherin Martina Kubisch sagt. Ein positiver Bauvorbescheid für das Grundstück in der Krautstraße, das sich inmitten des von Plattenbauten geprägten Viertels befindet, liegt schon seit März vor.

Mieter erfuhren Ende Mai von Vorhaben

Am 15. Juli hat die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, dass das Bezirksamt den Bedarf für öffentliche und soziale Infrastruktur schnellstmöglich prüfen soll. Auch andere Grundstücke im Umfeld der Krautstraße, der Koppenstraße und nördlich der Karl-Marx-Allee sind betroffen. Bisher wird über freistehende Zehngeschosser mit einer Fläche von 18 mal 18 Metern zwischen den bestehenden Wohnblöcken nachgedacht, direkt vor Rita Schülkes Balkon.

Die von der Stadt beauftragte WBM versucht nach Angaben ihrer Sprecherin, die Wünsche der Anwohner über Infoveranstaltungen und den „Runden Tisch Stadtentwicklung Friedrichshain“ in die Planung einfließen zu lassen. Rita Schülke und viele andere Mieter können sich trotzdem mit der Bebauung nicht abfinden.

Denn die WBM lud zwar im März die Mieterbeiräte zur Vorstellung des Vorhabens ein, doch die Krautstraße hat gar keine Interessensvertretung. So erfuhren die Mieter erst Ende Mai von dem Vorhaben. Schülke und ihre Nachbarin Gisela Wendrock fühlen sich übergangen. „Es gab keine Information zu dem Bauvorbescheid, der schon im November beantragt wurde“, sagt Schülke aufgebracht. „Niemand wusste von den Plänen, aber dafür wird schon alles vermessen.“

Gebaut wird auf jeden Fall

Nach bisherigen Überlegungen wäre der neue Wohnblock vor Schülkes Balkon zwei Etagen höher als die umstehenden. Schülke ist pensioniert und 2008 wegen der günstigen Miete und der Grünflächen aus Friedenau nach Friedrichshain gezogen. Ein erneuter Umzug sei für sie unmöglich, sagt sie, denn eine neue Wohnungsausstattung könne sie sich nicht leisten, und in einen Randbezirk will die 75-Jährige nicht ziehen.

Gisela Wendrock geht es ähnlich. „Ich wohne seit 1984 hier. Mein gesamtes soziales Umfeld ist hier“, sagt sie. Sie wehrt sich mit allen Kräften gegen den Neubau. Die Unterschriften von 300 Mietern aus dem Haus hat sie gesammelt.

„Obwohl es noch keine konkreten Pläne für die Krautstraße gibt, ist klar, dass gebaut wird. Die Frage ist nur, wie“, sagt WBM-Sprecherin Kubisch. Schon jetzt ist sicher, dass wegfallende Grünflächen nicht ersetzt werden können; allenfalls werden die noch verbliebenen aufgewertet, „sodass im Ergebnis zwar weniger, aber hochwertige Fläche mit mehr Aufenthaltsqualität entsteht“, erklärt sie.

Informationsveranstaltung am Mittwoch

Konkrete Pläne gebe es noch nicht. Auch nicht für die schwierige Parkplatzsituation. „Es ist ja jetzt schon viel zu voll, und dann würden hier noch mehr Menschen leben“, sagt Schülke. Auch Kitas und Schulen seien überfüllt. Die WBM versichert, sich an die gesetzlichen Richtlinien halten und Ersatz für Grün- und die Spielflächen schaffen zu wollen. Aber sie möchte auch, dass sich die Mieter an der Planung beteiligen.

Die Chance ist zumindest da: Am kommenden Mittwoch, 29. Juli, gibt es eine Informationsveranstaltung – dieses Mal explizit für die Mieter der Krautstraße. Ursprünglich hätte das Gespräch vor den Sommerferien stattfinden sollen; den jetzigen Termin wertet Schülke als Taktik: Viele Mieter, besonders junge Familien, sind derzeit im Urlaub. Dennoch rechnet sie mit einer turbulenten Veranstaltung, denn viele haben das Vertrauen in die WBM verloren. Schülke sagt: „Das ist doch eine reine Alibi-Veranstaltung für die Wohnungsbau, eine Beruhigungstablette für die Mieter.“

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