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Wenn TXL einmal geschlossen wird. Wohnungen für 5000 Menschen (links, weiße Blöcke) sollen dort im Osten des Flughafens einmal entstehen. Das Quartier zieht sich vom Terminal bis zum Schumacher-Platz (rechts), wo heute die Busse enden.

© Ralf Schönball, Imago

Wohnungsbau in Berlin: Siedlung am Airport Tegel mit 5000 Wohnungen

Falls der BER wirklich öffnet, schließt Tegel - und eine neue Siedlung mit 5000 Wohnungen entsteht mit Schulen, Kitas und einem zentralen Park.

Im Wochentakt Siedlungsbauten im XL-Format im Berliner Norden – fast könnte man meinen, der Senat habe die Wohnungsnot im Griff. Am Freitag 5000 Wohnungen auf Pankows Felder der Elisabeth-Aue, am Dienstag nun 5000 Wohnungen am Flugfeld Tegel. Schade nur, dass dazu erstmal der BER öffnen muss, was am Ende jeder Woche ungewisser ist am Anfang derselben. „Ob wir im Frühjahr, Herbst oder Winter 2018 den Flugbetrieb einstellen in Tegel, wissen wir nicht“, sagte Flughafenkoordinator und Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup am Dienstag – wohl aber, „dass wir 2019 in Tegel anfangen können“.

2021 ziehen die ersten ein

Anfangen heißt, Vorbereitungen für das neue „Schumacher Quartier“ zu treffen: Räumen, Planieren, Vermessen, Wege anlegen, Leitungen verlegen. Ein Jahr später soll der Bau der 5000 Wohnungen starten, 2021 sollen die ersten Bewohner einziehen. Bis zu 500 Studenten werden darunter sein, einige Wagemutige, die in Baugruppen eigene vier Wände in Eigenregie hochziehen sowie gut 1500 Haushalte mit engem Monatsbudget, die Anspruch auf eine der Sozialwohnungen haben. Außerdem will der Senat beim Verkauf des Baulandes vorschreiben, dass die Entwickler viele Mietwohnungen für „weniger als zehn Euro“ bauen.

Dortmunder Planer gewannen den Wettbewerb

Die eigentliche Nachricht an diesem Tag ist aber: Diese Siedlung wird nach Plänen des Büros Scheuvens + Wachten aus Dortmund gebaut. Und das war nicht die schlechteste Wahl der Jury unter Leitung der Architektin Christa Reicher, in der aber auch das Land mit Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und einer Chefin der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag ihren Einfluss ausübte. Die Planer haben die dreieckige Brache nicht wie andere mit Blöcken vollgestellt, sondern im Zentrum ein weiteres Dreieck angelegt, einen grünen Park, an dem sich die Wege kreuzen, die das Quartier von Norden nach Süden und Osten nach Westen durchziehen.

Auf Wohnqualität lässt das hoffen, was Senat und Bezirken zupass kommt, geraten sie bei den Bürgern doch zunehmend in Verdacht, jede Lücke mit Beton zu verfüllen, wie die Gegner des Baubooms in der City-West mit einem fulminant gestarteten Volksentscheid nahe legen. Aber hat Berlin wirklich die Wahl, wenn mehr als 100.000 Wohnungen fehlen in der Stadt? Sei’s drum, überzeugt haben dürfte die Jury auch der Ur-Berliner Ansatz der Dortmunder Planer, die Blöcke mit einer Gesamtfläche von 570.000 Quadratmetern an einer „Traufhöhe“ zu orientieren: Sie haben fast durchgängig eine Höhe von fünf bis sechs Geschossen und bilden innen liegende Höfe, die den Lärm der umliegenden Straßen abschirmen.

Der Autobahnstummel der A111 im Norden des Quartiers wird zwar zurückgebaut – eine verkehrsberuhigte Zone entsteht dadurch aber noch lange nicht. Ein vierspuriger, 32 Meter breiter „Boulevard“ entsteht, wie Lütke Daldrup sagt, auch künftig viel befahren, weil er zum Kurt-Schumacher-Platz und den Stadtautobahnen führt. Und über die Straße im Süden des Gebietes werden viele LKWs und Transportfahrzeuge die „Urban Tech Republic“ ansteuern, die am westlichen Rand des Schumacher Quartiers auf dem heutigen Airport heranwachsen soll.

Dass nun 5000 statt ursprünglich 2000 Wohnungen dicht an „sein“ Baugebiet heranrücken, damit hat der Chef der Urban Tech Republic, Philipp Bouteiller, seinen Frieden gemacht. „Der Abstand ist groß genug“, sagt er. Für die Firmen rund um die Beuth-Hochschule, die Technologien für Recycling, Kommunikation, Wasseraufbereitung und Brandschutz hier entwickeln werden, steht viel auf dem Spiel: Kommt es zum Nachbarschafts-Streit wegen Lärm oder anderer Emissionen, zieht vor Gericht das Gewerbe im Zwist mit Einwohnern stets den Kürzeren – auch wenn es um 15.000 Arbeitsplätze geht.

Zwei U-Bahn-Höfe in der Nähe

Hochhäuser, die als Tore zu einem Quartier gerne mal eingeplant werden, fehlen, auch wenn die Bauten am Kurt-Schumacher-Platz ein paar Stockwerke mehr haben als im Inneren des Quartiers. Dort ist die eine U-Bahn-Station gelegen, die die künftigen Bewohner nutzen werden, die andere könnte die Scharnweber Straße sein.

1500 Stellplätze für Autos haben die Planer sicherheitshalber außerdem vorgesehen. Wer hier aufs Fahrrad steigt, um in die City zu radeln, dürfte eher ein E-Bike wählen. Apropos, von E-Mobility im neuen Kiez war bei der Vorstellung der Pläne keine Rede. Wo bleibt nur die mit Glasfaser vernetzte, mit Ladestationen gesättigte Plus-Energie-Haus-Siedlung des Senats?

Und noch etwas: Läden und Geschäfte soll es in den Erdgeschossen geben, auch eine Art Einkaufszentrum. Eine vierzügige Grundschule sowie eine sechszügige integrierte Sekundarschule sind eingeplant, eine aus dem Budget des Projektes, eine vom Land bezahlt. Es wird sechs Kitas geben, verteilt über das 48 Hektar große Baugebiet. Für den Bau der Straßen und Wege, Leitungen und Kanäle rechnet der Senat mit ähnlichen Kosten wie in der Elisabeth-Aue, rund 100 Millionen Euro. Wird auch das Bauland im Schumacher Quartier für 300 Euro je Quadratmeter verkauft? Lütke Daldrup verdreht die Augen: „Bei der Lage mit zwei U-Bahn-Anschlüssen?“ – niemals.

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