zum Hauptinhalt

Wohnungsmarkt: Investoren freuen sich über steigende Mieten

Alle klagen über steigende Mieten, nur die Investoren nicht. Niedrige Zinsen erleichtern die Immobiliengeschäfte, der Neubau von Wohnungen zieht an.

Alle klagen über steigende Mieten, nur die Investoren nicht. Denn wer mit Immobilien handelt, sie besitzt oder bauen will, dem kommt der Preisauftrieb gerade recht. Richtig gut gelaunt ist zum Beispiel Einar Skjerven. Der Mittvierziger ist Chef der norwegischen „Industrifinans“ und seit fünf Jahren auf Shoppingtour in Berlin. Miethäuser kauft er, „opportunistisch“, wie er sagt. Das heißt: in Stadtteilen mit niedrigen Mieten, die aber trotzdem begehrt sind – in Kreuzberg zum Beispiel.

Welche Häuser er kauft, das hat Skjerven auf Radtouren durch Berlin entschieden, getrieben von der Frage, wo er selbst wohnen würde. „In Steglitz, wenn ich älter wäre, in Charlottenburg, wenn ich Familie hätte, in Prenzlauer Berg, wenn ich cool bin und in Kreuzberg, wenn ich sehr cool bin.“ Ganz cool ist Kreuzberg für viele wegen der Bars, der Cafés und der Kultur. Coole Investoren reizt der Kiez, weil er beliebt ist, die Mieten aber trotzdem günstig sind. Noch. Sie spekulieren darauf, dass sie die Mieten jedes Jahr um eineinhalb bis zweieinhalb Prozent anheben können. In zehn Jahren wandeln sie das Miethaus in viele Eigentumswohnungen um und verkaufen jede einzeln teuer an coole Neuberliner. „Das gibt einen schönen Profit“, sagt Skjerven fröhlich.

Den steigenden Mieten verdankt auch Fred Weber ein neues Geschäftsfeld. Der Regionalleiter des schwedischen Baukonzerns NCC errichtet Eigenheime und bietet sie etwa in Biesdorf für 170 000 Euro an. Bisher verkaufte Weber die recht günstigen Häuser an Privatleute, nun klopfen aber auch Investoren an – „deshalb machen wir jetzt Geschosswohnungsbau“. In der Gartenstraße in Mitte zum Beispiel 48 Eigentumswohnungen. Weber würde auch mehr bauen, „aber man kriegt keine Grundstücke“, sagt er.

„Die Nachfrage nach Immobilien ist groß, auch von Privatinvestoren mit Inflationsängsten“, sagt Thilo von Stechow, Chef der GSW-Tochter BWG. Der Anteil ausländischer Käufer habe sich in diesem Jahr verdoppelt. Die seien auch bereit, Mietwohnungsbau zu finanzieren. Die Investitionen rechneten sich bei Mieten von acht bis zehn Euro pro Quadratmeter. Stechow zufolge wird sich die steigende Wohnungsnachfrage im Mietspiegel des nächsten Jahres niederschlagen, dessen Mittelwert über fünf Euro pro Quadratmeter steigen werde. Allerdings steht der Wohnungsmarkt Stechow zufolge auf „wackligen Füßen“. Immobilien seien vor allem wegen der am Kapitalmarkt so niedrigen Zinsen attraktiv für Investoren. Sobald das Tagesgeld wieder auf vier Prozent steige, wo es vor zwei Jahren schon einmal stand, sei der Boom vorbei.

Trotz des Einstiegs von NCC und zuvor schon von Hochtief in den Geschosswohnungsbau, glaubt Gutachter Andreas Habath nicht, dass Neubau in nennenswertem Umfang den Markt entlasten wird. Die Wohnungen müssten für rund 2500 Euro pro Quadratmeter verkauft oder für über zehn Euro vermietet werden. Das sei doppelt so viel wie die zurzeit gehandelten Durchschnittspreise und -mieten. Von „Leuchtturmprojekten“ spricht der Experte deshalb und meint damit – gemessen an der Kaufkraft der meisten Berliner – Luxusimmobilien. Für den Norweger Skjerven ist das kein Grund zur Beunruhigung. Er sagt, im Durchschnitt wechselten Mieter alle zehn Jahre die Wohnung. Dann könne man die Miete nach Belieben anheben. Und weil die Zahl der Haushalte doppelt so schnell steige wie die der neuen Wohnungen, fänden sich immer genügend Abnehmer. Ralf Schönball

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false