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Sanierungen sollen nicht zu Lasten der Bewohner gehen. Eine Fassadenflucht im Samariterviertel, Friedrichshain. Hier soll ein neues Milieuschutzgebiet ausgewiesen werden.

© Mike Wolff

Wohnungsmarkt: Rettung für bedrohte Berliner Kieze

Begehrte Altbaukieze wie in Pankow, Kreuzberg oder Schöneberg will man künftig vor Immobilienwucher schützen. Luxussanierungen sollen hier verboten werden.Doch in Schöneberg gibt es noch ein ganz anderes Problem: Abriss intakter Wohnhäuser.

Bedrohte Berliner Kieze sollen unter Schutz gestellt werden. In Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof- Schöneberg wird an sogenannten Milieuschutzsatzungen gebastelt. Ziel ist, den starken Wandlungsdruck in begehrten Altbauquartieren von Prenzlauer Berg bis zum Kiez um die Akazienstraße in Schöneberg zu dämpfen. Luxussanierungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen und die Zusammenlegung kleinerer Wohnungen zu großen Appartements sollen verhindert werden.

Bislang gibt es 24 Milieuschutzgebiete in Berlin, die meisten davon in Prenzlauer Berg. In Friedrichshain sollen fünf weitere Gebiete hinzukommen. Die Schutzsatzungen richten sich gegen die Renditemaximierung auf dem Immobilienmarkt. Die Mieter sollen vor dem Verkauf ihrer Wohnung oder einer Aufwertung zur Edelmaisonette geschützt werden. Voraussetzung ist, dass ein starker Mietenanstieg und die Verdrängung von Bewohnern in einer Studie nachgewiesen wird. Die CDU ist skeptisch, ob man mit Milieuschutz wirklich etwas erreicht. „Das sind Profilierungsbestrebungen einiger Bezirke“, sagt Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher.

Pankow ist zu Beginn des Jahres mit einer neuen Milieuschutzsatzung vorgeprescht. Danach sind der Einbau eines zweiten Bades, ein zweiter Balkon, Fußbodenheizung, Kamineinbau und eine hochwertige energetische Sanierung in den Milieuschutzgebieten verboten. Erlaubt sind dagegen Hänge-WC und der Einbau von Aufzügen. In fünf Jahren soll die neue Satzung überprüft werden. Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) könnte sich vorstellen, dass die Fußbodenheizung dann aus dem Verbotskatalog gestrichen wird, weil sie im Neubau schon jetzt zum Standard gehört.

In Friedrichshain-Kreuzberg ist der neu definierte Verbotskatalog deutlich schärfer: Hier stehen Einbauküchen, ein zweites WC und Doppelwaschbecken auf dem Index. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) spricht von einer „restriktiven“ Satzung. Auch die Nutzung als Ferienwohnung ist untersagt.

Auch Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg überlegen, Schutzgebiete auszuweisen. „Wir prüfen das für den Mierendorffplatz“, sagt Stadtrat Marc Schulte (SPD). Pro Schutzgebiet bräuchte die Bauaufsicht aber zwei zusätzliche Mitarbeiter, um die Bauprojekte zu überwachen. Stadträtin Sybille Klotz (Grüne) sieht vor allem in Schöneberg einen wachsenen Veränderungsdruck. Wohnhäuser aus den sechziger Jahren würden abgerissen und durch exklusive Neubauten ersetzt. „Da verschwinden völlig intakte Häuser von der Bildfläche. Solch Abrisse könnte man verhindern.“

In Lichtenberg sei die Situation noch entspannter als in Pankow oder Friedrichshain-Kreuzberg, sagt Stadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Man behalte Quartiere wie den Weitlingkiez oder die Victoriastadt aber genau im Blick und würde auch zum Instrument Milieuschutz greifen, sollte sich die Lage dort verschärfen. In den Bezirksämtern von Mitte und Neukölln ist Milieuschutz dagegen aktuell kein Thema.

Der Senat will bis zum Sommer ein Verbot von Ferienwohnungen und anderen Zweckentfremdungen von Wohnraum umsetzen. Parallel wird eine Umwandlungsverordnung vorbereitet. Sie ist Voraussetzung für die Bezirke, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu untersagen. Bis 2004 konnten die Bezirke in Milieuschutzgebieten Mietobergrenzen festlegen. Das Oberverwaltungsgericht kassierte diese Regelung. Seitdem hat Milieuschutz an Reputation verloren. Thomas Loy

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