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Viele Mieter wohnen seit Jahrzehnten in ihren Häusern - und plötzlich steigt die Miete ins Unbezahlbare.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnungspolitik der Linken: „Wir wollen den Schutz der Mieter garantieren"

So will Andrej Holm, Staatssekretär für Bauen und Wohnen, die Wohnungspolitik ändern. Berlin soll eine soziale Modellstadt werden.

In der Auseinandersetzung um die Stasi-Vergangenheit von Staatssekretär Andrej Holm sind seine wohnungspolitischen Vorstellungen in den Hintergrund gerückt – oder sind sie vielleicht sogar mit ein Anlass für die Härte der Debatte? Das wird zum Beispiel in einer Solidaritätserklärung behauptet, die 350 Wissenschaftler unterschrieben haben. Darin heißt es: „Diese Diskreditierungsversuche müssen als der Versuch verstanden werden, eine Änderung der Stadt- und Wohnungspolitik zu unterbinden.“

Die Humboldt-Uni, die derzeit Widersprüche in den Angaben Holms zu seiner Zeit bei der Stasi prüft, solle sich „nicht vor den Karren der Immobilienwirtschaft spannen lassen“, der Senat „nicht vor dem Druck derjenigen, die von Immobilienspekulation profitieren, einknicken“. Sieht Holm das auch so? In einem von „Zeit“ und Tagesspiegel geführten Interview sagt er: „Ich will mich nicht über die Motive derer erheben, die Kritik an der Personalentscheidung haben. Aber das, was wir uns vorgenommen haben, ist tatsächlich ein deutlicher Richtungswechsel der Wohnungspolitik in Berlin. Wir haben eine ganz klare Priorisierung von sozialen Funktionen des Wohnens gegenüber privaten Profiten oder privaten Interessen.“

Der neue Staatssekretär für Wohnen, Andrej Holm, sieht sich als Anwalt der Sozialmieter.
Der neue Staatssekretär für Wohnen, Andrej Holm, sieht sich als Anwalt der Sozialmieter.

© Rainer Jensen/dpa

Vor seiner Berufung hatte Holm geschrieben, der vorherige Senat habe kein Interesse gehabt, „sich mit Eigentümern, Investoren und Spekulanten anzulegen“. Das, so kündigt er an, wird sich ändern: „Unsere Vorhaben werden in einer Reihe von gesetzlichen Verordnungen Niederschlag finden, die alle so gestaltet werden sollen, dass sie einen effektiven Schutz von Mietern garantieren. Die Sicherung von sozialen Belangen des Wohnens ist immer ein Einschnitt der Profitabilität derer, die damit Geld verdienen wollen.“

Zwangsbelegung leerstehender Wohnungen soll möglich sein

Konkret kündigt Holm eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots an. Auch eine Zwangsbelegung leerstehender Wohnungen, zum Beispiel im Luxussegment, könne möglich sein, wenn sich das als Massenphänomen erweise. Es gehe ihm aber nicht „um den schnellen, spektakulären Symbolerfolg“. Auch will Holm „Instrumente des Vorkaufsrechts stärker in Anschlag bringen, um den Wohnungsbau anzukurbeln“, und bei Abrissen will er den Neubau von preiswerten Wohnungen „erzwingen“.

Zudem sollen die Milieuschutz-Satzungen, die mit Umwandlungsverordnungen verbunden sind, ausgeweitet werden. Wohneigentum werde zwar nicht in Frage gestellt, aber: „Wir wollen eine Priorisierung, eine Verantwortung für die sozialen gemeinwohlorientierten Belange, die in einer Stadt wichtig sind.“ Eine Stadt, in der bald vier Millionen Menschen leben, könne nicht nach privaten Interessen einzelner Grundstückseigentümer organisiert werden. Es gehe darum „im großen Umfang Gemeinwohl durchzusetzen“.

Räumen nur noch, wenn es Ersatzwohnungen gibt

Rendite auf Wohneigentum hält Holm nicht per se für unanständig, „so funktioniert Verwertung eben“, aber die Mieterinteressen würden künftig „so stark wie möglich“ geschützt. So sollen Zwangsräumen (zurzeit pro Jahr etwa 6000) künftig nur noch dann möglich sein, wenn nachgewiesen ist, dass die Mieter Ersatzwohnraum bekommen. Einen „Königsweg für Wohnungspolitik in sozialer Verantwortung“ gebe es nicht, das müsse immer ein Zusammenspiel von vielen Elementen sein.

Klar sei aber, das eine substanziell andere Politik, wie er sie anstrebe, „immer auch mit Umverteilung zu tun“ habe – und dass es dabei Gewinner und Verlierer gebe. „Das ist aber der Kern einer demokratischen Gesellschaft – dass man Dinge auch mal verändern kann, dass man sagen kann: Wir wollen jetzt einen Wechsel.“ Schwerpunkt der neuen Politik soll der öffentliche Wohnungsbau sein. Dazu würden Grundstücke in den Bestand der Wohnungsbaugesellschaften überführt, außerdem werde ihr Eigenkapital aufgestockt.

Berlin als Modell-Alternative zur neoliberalen Stadt

Der Bestand städtischer Wohnungsbaugesellschaften soll auf 400.000 Wohnungen angehoben werden, die zurzeit 100.000 Sozialwohnungen will Holm dauerhaft sichern. „Damit haben wir in Berlin ein gutes Potenzial für soziale Wohnraumversorgung.“ Trotz steigender Bodenpreise und Baukosten sowie kostspieliger Klimaschutzauflagen sollen die landeseigenen Gesellschaften Wohnungen auch für deutlich unter zehn Euro Miete pro Quadratmeter anbieten können.

Mietkosten hingen eben, anders als private Bauträger behaupteten, nicht nur an Baukosten: „Wenn ich den Profit raus rechne, wird es schon preiswerter.“ Als Ziel sieht Holm es an, Berlin zu einer Modellstadt zu entwickeln: „Die Neoliberalisierung der Stadtpolitik ist ein globaler Trend – wir hoffen, dass wir in Berlin eine Alternative finden.“

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